In Missingsch

Der Autor Willy Krause schrieb hier Erinnerungen seiner ersten 25 Lebensjahre in Missingsch.
Missingsch ist im engeren Sinn eine Mischsprache, die dadurch entstand, dass niederdeutsche
Muttersprachler Standarddeutsch zu sprechen versuchten.

Die Erlebnisse eines Hamburger Jungen aus den 20er und 30er Jahren,
der an der Elbe groß geworden ist, beschreibt hier der Autor, außerdem
noch den Hafen, die Arbeiter, die Geschäfte, die Menschen und seine
Jugendzeit. Wie er den langen Krieg als Soldat überlebte. Die schwere
Nachkriegszeit, bis hin zu seiner großen Liebe.

Mit vielen, vom Autor selbstgemachten Zeichnungen liebevoll in Szene gesetzt.

Ein echtes Stück Hamburger Geschichte.


VORWORT in Hochdeutsch

Vater wurde 1900 in Leipzig geboren und 79 Jahre alt. Er hatte zwei Brüder. Der erste fiel im ersten Weltkrieg und der zweite im zweiten Weltkrieg. Die beiden jüngeren Schwestern wurden Über 85 Jahre alt. Vater lernte Maler im Malereigeschäft seines Vaters. 1917, mit 17 Jahren also, wurde er noch Soldat. 1918/1919 hielt er sich bei einer Freichor Einheit in Kurland auf. Danach an der tschechischen Grenze. Mit anderen jungen Leuten brachten sie Kohlkopfe über die Grenze und holten Sackweise Schuhe von Bata nach Deutschland. Paschen, nannte man den Schmuggel. Transportiert wurde alles im Beiwagen eines Motorrades. Bald lohnte es sich nicht mehr und er ging nach Süddeutschland. In Augsburg arbeitete er wieder als Maler und lernte dort ein Mädchen kennen. Als sie schwanger wurde, verhinderten die Eltern die Hochzeit, weil er kein Katholik war. Er hat dann Alimente gezahlt. Nun wollte er nach USA auswandern und kam nach Hamburg. Er arbeitete bei der Hansa-Reederei im Hafen und wohnte auf St. Pauli.

Mutter wurde 1904 in Altona geboren und nur 44 Jahre alt. Sie hatte einen jüngeren Bruder der 95 Jahre alt wurde. Vom Nachkömmling, der jüngeren Schwester, hörte man später nichts mehr.

Mutter hatte eine schwere Jugend und musste immer im Haushalt arbeiten denn die Mutter ging arbeiten. Sonst war überhaupt kein Geld fürs Essen im Haus gewesen. Der Vater machte nur Gelegenheitsarbeiten auf dem Gemüsemarkt. Mutter war klein und feingliedrig und sehr anfällig. Hinzu kam, das die Eltern von einer Wohnung in die andere zogen. Trockenwohnen nannte man das. Damals wurden Neubauten von armen Leuten gegen Mietfreiheit trocken gewohnt. Danach landeten sie in billigen Keller- oder Kleinstwohnungen auf Hinterhöfen. Der Vater hatte schon seit längerem das Trinken angefangen. Er hatte die Gabe andere Leute beschwatzen zu können. So hatte er irgendwie Geld aufgetrieben und einen Grünwarenladen in der Oelckers Allee, in Altona an der Sternbrücke, aufgemacht. Darin stand Mutter mit ihrer Mutter, die auch noch das Kleinkind hatte, und verkauften. Der Vater besorgte morgens das Gemüse und die Kartoffeln vom Markt. Dann ging das Trinken los. Er kam nur in den Laden um das eingenommene Geld aus der Kasse zu nehmen und zwei Hauser weiter in der Kneipe zu versaufen. Mutter versteckte dann einen Teil des Geldes zwischen den Kartoffeln. Aber das nützte nichts. Der Laden war so nicht zu halten und wurde dicht gemacht.

Mit 16 Jahren ging sie dann zu Butter-Mohr in der Stresemann Strasse. Dort stand sie lange am Fliessband an dem Margarinewürfelverpackt wurden. Mit der Zeit wurde die Maschine immer schneller laufen lassen. Irgendwann konnte sie das keine 8 Stunden mehr durchhalten. Freitags, wenn sie Lohn bekommen hatte, ging sie mit einer Freundin in eine Konditorei in der Bergstrasse, am Altonaer Bahnhof.

Und da trafen sich dann Vater und Mutter. Er saß ebenfalls bei Kaffee und Kuchen. Sie kamen ins Gespräch und trafen sich wieder. Sie mochten sich und beschlossen zusammen zu bleiben. Sie heirateten, denn Mutter war endlich 21 Jahre alt und mündig. Vater war nun 25 Jahre alt.

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