Meine Lehrzeit

Die Lehre von 1941-1943

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Erstes Lehrjahr
Mit Kabid gesprengt
Kein Kontakt zu den Kriegsgefangenen
Jetzt haben wir ein Segelboot
Im Wehrertüchtigungslager
Grossangriff auf Hamburg
Auf der Suche nach der Familie

 

Erstes Lehrjahr

Fant ich natürlich gleich 'n paa dufte Kumpls in 1. 2. un 3. Lehrjaah. Die kleertn uns auf was man machn durfte un was nich. Die Jungs in 3. Lehrjaah hattn mehr über uns zu sagn als der Meister. Ich waa der einzige Lehrling inne Werkzeuchmacherei un hatte 'n gutn Meister. Aber die 10 Dreherjungs krichtn 'n vergräzztn, altn, altn Berliner. Hin un wieder gabs ma paa inn Nackn wenn wir bei irgntwas erwischt wurdn. Aber die Dreherjungs fingn bei jeder Kleinichkeit ein'n ein. Dagegn waa mein Meister noch ganz human.

An was wir uns ersma gewöhn'n musstn gink morgns schon los wenn man kam. Zum Umkleideraum musstes in Keller 'n langn Gang lenks gehn. Unnerwechs kam'n dir denn die Geselln in ihre Abeitskluft entgegn. Saachtes "Gutn Morgn", grölte der "Heil"Hitler‘heisst das" Saachtes nu den nechstn "Heil Hitler", grölte der "Moin". Balt wussten wir bei den meistn Bescheit un denn ginks auffn Gang immer abwexlnt "Moin" un "Heil Hitler". An erstn Morgn kam ich inne Werkstatt mit "Heil Hitler", denn ich wollte nix ferkehrt machn. Kuckte der Meister nich ma hoch. Hans, nu in 2. Lehrjaah, zu mir: "Morgnfrüh saachs Du ganz laut: "Gutn Morgn." Tat ich dann un der Meister rief freundlich zurück. Nu wusste ich was er vonne Nazis hielt. So viel wie wir, nehmlich nix. Die paa Lehrlinge die was mitte H.J. am Hut hattn muckstn sich nich wenn wir annern rumstänkertn.

In unsrer Werkstatt waa auch die Werkzeuchausgabe mit ne Klappe inner Tür. Manchma kam 'n ganz grosser Kerl, mitn Schnauzbaat, stekkte sein Kopf durche Klappe un rief laut: "Rot Front" Das hätte ihm den Kopf kostn könn'n weil das der Ruf vonne Kommunistn waa. Der Mann der anne Klappe bediente waa 'n harmlosn Nazi un saachte nur: "Mensch, halt Dein Maul."

In erstn Lehrjaah musstes 48 Stundn abeitn. Die waan denn Sonnabenz, Mittachs um 1 Uhr entlich zu Ende. Am nechstn Tach, nachn 16. Geburztach, 54 Stundn die Woche. Die Geselln abeitetn immer 57 1/2 Stundn.

Dazu kam'n noch die Luftschuzzwachn. In 1. Lehrjaah. Sonnabenz gleich nache Abeit dableibn bis abenz um 7 Uhr. An nechstn Wochnende sonntachs von 7 Uhr morgns bis abenz 7 Uhr. So immer abwexlnt. Waas entlich 16 Jaah alt gewordn, wurdes "kaserniert". Sonntach Abend antanzn un die ganze Woche dableibn. Sonnabendmittach waa denn Schluss. Das hab ich viel lieber gemacht, Hatts wenichstns an Wochnende frei. Oft hab ich für de verheiratetn Junggeselln die Woche gemacht. Krichte sowieso vonne Firma 16 Mark dafür un vonne Junggeselln auch noch was. Hatte schon meine Stammkundn. Aber Freizeit konnz vergessn.

 

 

Mit Kabid gesprengt

Nachts waa denn immer mehr Alarm. Raus aussn Bett, anziehn, Stahlhelm auffn Kopf un auf irgentein Gebeude. Da standn zusamm'nge schweisste Einmannhüttn aus Stahlblech. Durche Sehschlizze solltes beobachtn un Feuer meldn. Wir hattn alle ein Mikrofon un wenn was saachtes, konnz das inne ganze Firma hörn. Jeder Raum hatte 'n Lautsprecher. Natürlich auch für den Wachhabenden inn Keller. Meist ein Inschenör.

Einer davon waa 'n grosser Nazi un lief sogaa unter sein weissn Abeizkittl mitte braune Uniform rum. Der kontrolierte immer ob wir auch auffn Postn waan. Als er wieder einma übern stochdüstern Hof gink, habn die Lehrlinge von obn 'ne Brauseflasche mit Kabid runtergeschmissn. Das knallte wie 'ne Hantgranate. Da is der fürchterlich gerannt, auf seine Naglstiefl ausgerutscht un die Kellertreppe runtergefloogn.

Morgns in Helln konnz den Schweinkram auffn Flaster sehn. Flaschn Verschluss, Glasscherbn un weissn Kabidschlamm. wusste jeder was geknallt hatte. Danach is der nich mehr aus sein Befehlsstand raus gekomm'n.

 

 

Als wir noch am Tage wache schiebn musstn, habn wir hintern Gebeude mit Brauseflaschn un Kabid gesprengt. Hoch inne Luft geschmissn wo sie explodiertn. Eine grosse Scherbe kam von obn runter un hatt mir über de Augnbraue ein'n Schnitt gemacht un blutete wie ein Schwein. Habn die Kumpls mich schön verflastert. Wir hattn ja ein'n gut ausgestattetn Rot Kreuz Raum.

Ich musste aber noch was ganz anneres ausgefressn habn, denn am Montachmorgn musste ich, mitn Flaster vorn Kopf, zum Ausbildungsinschenör ins Bürogebeude. Die hattn damals schon eine Aat Grossraumbüro, wo mehr als 10 Angestellte drin saassn. Auch junge, hübsche Medchen dabei. Annere konntn durche Glasscheibn kuckn.

Ich nu mit ein Kopf rein inne Tür. Rechte Hant bis anne Brust un: "Heit'ler" gemurmlt. Herr Schwien kuckte mich an un brüllte: "Raus, un komm nochma orndlich rein." Ich raus, voll wut weil die Medchen alle kucktn un genau wieder so rein. Lies er mich bis an sein Schreibtisch komm'n un haute mir eine runter. Ich drehte mich um un lief zur Tür. Er gröhlte noch was von zurückkomm‘n. Treppe runter, übern Hof, bein Förtner vobei. Der hatte aber wohl schon ein Anruf gekricht un rief: "Halt, halt". Ich gink nach Hause un mit Mutter zu de nechste Telefonzelle. Hat die ihn orndlich fertich gemacht. An nechstn Tach gink ich wieder an mein Abeitsplazz. Mein Meister hat nich ein Wort gefraacht. wusste wohl Bescheit.

 

 

Wehrend einer Luftschuzzwache, auf der ich un Schwien zusamm'n waan, wollte er mir die Taschn nach Zigarettn durchsuchn. Jeder masste sich an , anderen was zu verbietn. Rauchn waa unter 18 Jaahn verbotn. Na, ich hörte gaanich hin unverschwannt inne werkstettn. Er hinterher un suchte mich überall. Ich hatte aber bei de französischn un belgischn Abeiter, die im Werk wohntn, angeklopft. "Ihr müsst mich versteckn." Haben die mich untern Bett gejacht un was vorgeschobn. Schwien klopfte auch da un krichte nur Französisch un Kopfschüttln. Montachs hatte er wohl mit annere Lehrlinge wieder annere Sorgn. Ersma hatte ich Ruhe.

Von ein'n annern Lehrling hab ich das Akkordeonspieln gelernt. Er hatte Unterricht gehabt. Aber La Paloma konnt ich balt. Lern'n tatn wir in Keller, aber wenn die Sonne schien saassn wir auf'n Hof auffe Benke.

 

 

Kein Kontakt zu den Kriegsgefangenen

An annern Ende von Hof in ein Gebeude, wohntn 20 Russinn'n aus Kiew, un waan zwischn 20 un 25 Jaah alt. Man hatte sie in ihre Universität gefangn genomm'n , auf Lastwagn zun Baanhof gebracht un nach Deutschland gefaan. Nu musstn sie bei uns anne Drehbenke abeitn. Alle konntn etwas Deutsch. Mit ihnen sprechn waa natürlich verbotn. Tatn wir aber doch. Die saassn uns denn auf annere Benke gegnüber un sangn ihre russischn Lieder. Eine spielte Gitarre dazu. So immer abwexlnt. Tamara waa die einzige die rauchte. Ich gab manch ma einem Tschechn Zigarettn für sie. Der konnte büschn Russisch. Dem hattn sie auch erzehlt wie sie nach Deutschland gekomm'n waan. Nich ma ihre Eltern konntn sie noch Bescheit sagn.

Mit dem Tschechn stant ich nebneinanner anne Schraubstöcke. Er waa balt mein Freund un hat mir viel beigebracht. Der Kontakt mit Ausländern waa nur inne Firma wegn Abeit erlaupt. Aber das kümmerte uns nich un wir passtn nur gut auf. Ich besuchte ihn inne Kastanienallee auf St. Pauli, wo er ein Zimmer hatte. Da traf ich auch sein'n Bruder Emil un sein'n Freund Standa. Die naam mich mit in eine Gaststette inne Erichstrasse, wo die Tschechn sich trafn. Sie saachtn 'n paa Worte zu de Leute un ich waa vertraunsvoll inne Run de aufgenomm'n. Waan alle nett zu mir un ich krichte genauso Essn wie die annern, ohne Lebnsmittlkaatn abzugebn. Mit dem Tschechn hab, ich mich noch über 30 Jaahre geschriebn.

 

 

Jetzt haben wir ein Segelboot

In 2. Lehrjaah waa einklich nix besonneres. Da konnt ich oft an'n Wochnende nich ma mehr nach Wallershof rüber. Dauernd waa Alarm. In Winter hattn mein Freund un ich zusamm'n ein Seglboot gekauft. Von zwei ältere Jungs die jezzt eingezogn wurdn. 500 Mark sollt' es kostn. 370 Mark hattn wir zusamm'n durch Keglaufstelln inne Kneipe Ecke Schalottnstrasse un Fruchtallee. Vater lieh uns den Rest, denn wir hattn versprochn alles in 3 Monatn zurückzuzahln. Habn wir auch.
Das Boot laach jezzt in Maaknwerder Hafn anne Duckdalbn. Habn paa schöne Törns auffe Elbe zusamm'n gemacht. Inne Kajüte konnz bekwehm mit 2 Mann schlafn. Enk gings sogaa mit 4. An Bord waa alles gelassn wordn. Geschirr, Kocher un solche Dinge.

In Winter habn wirs durche Fleete gepaddlt, bein Rathaus durche Schleuse, über de Binn'n un Aussnalster, nachn Goldbekkanal. Aufgeslippt bei den altn Dornheim. Nu hattn wir Zeit alles schön zu maln. Mein Vater brachte die Faabe vonne Staatswerft wo er abeitete, mit. Der Rumf wurde weiss, untn, bis büschn über de Wasserlienje Singnalrot, das Deck beesch un Kajütndach grün. Mast, Rah un Baum nur mit Bootslack. Hintn an Plattgatt Singnalrot un Bootslack. Auf helln Holz den Nam'n "WIKING“ aus Messinkbuchstabn. Die hattn mir die Former un Giesserlehrlinge in unsre Firma gemacht. Brauchte ich nur noch zu bohrn un poliern.

 

 

Ein Tach auffe Dornheimwerft Kam 'N Mann mitn dunkln Anzuch un schnackt immer mit den Werftbesizzer. Der kommt denn zu uns un saacht: "Der Herr dahintn will Euer Boot kaufn. Hat er sich schon genau angesehn un bietet 3000 Mark dafür." "Nee, das behaltn wir", waa unser lezztes Wort. Ich hab aber nich mehr viel davon gehabt. Eines Tages hatte er den Mast abgebrochn. Mein Freund brauchte je mant der die Fock bediente. Mit wem er den Schadn gemacht hatte, hat er mir nie erzehlt. Waa mir nu auch egal. Bein grossn Angriff auf Hamburch soll es gebrannt habn un anne Duckdalbn abgesoffn sein. So hat uns danach ein Schreebergertner erzehlt, der in der besaachtn Nacht, in seine Bude geschlafn hatte.

 

 

Im Wehrertüchtigungslager

Mit mein langjehrign Freund hab ich mich jezzt viel seltener getroffn. Er waa ja Maschin'nbauerlehrlink bei Blohm & Voss. Ich waa mehr in Altona mit Abeit un Luftschuzzwachn. ln 2. Lehrjaah standn uns 2 Wochn Urlaub zu. Priwat konnz die aber nich nehm'n. Dafür krichtes'ne Aufforderung un musstes in ein Wehrertüchtigunkslager. Jede Firma musste ihre Lehrlinge meldn un in welche H.J. die waan. Ich hatte Marine H.J. angegebn. Die Wehrertüchtigunkslager waan den verschiedenen Waffngattungn angepasst.

Ein Tach hatte ich denn Bescheit un 'ne Freifaahkaate für de Eisnbaan nach Schlesiersee. Das laach in Schlesien, 3 km vonne polnische Grenze. Auffn Haupbaanhof, an Zuch nach Berlin, standn noch mehr Kerle wie ich un wir fandn uns schnell zusamm'n. Ers nach Berlin. Friedrichsstrasse raus. Habn denn 'n büschn rumgekuckt un weiter mit de dreckige UBaan nachn Schlesischn Baanhof. Irgentwann fuhr der Zuch denn ab un wir kam'n spätabenz in Sagan, Niederschlesien, an. Der nechste Bummlzuch fuhr ers annern Morgn un so habn wir die Nacht in Waatesaal, mitn Kopf auffn Tisch, verbracht. Mogns tot müde in'n eiskaltn Zuch anns Ziel. Hier wurdn wir abgeholt un ma schiertn nach ein Baracknlager. 20 Mann in eine Stube un die Tolette 100 Meter wech. Nachts konnz die Schwindsucht inne Kelte dabei kriegn.

Am Tage Dienst. Hattn alle weisses Drillichzeuch an un 'n blaues Käppi. Die Ausbilder waan richtige Maatn vonne Kriechsmarine. Ers wieder maschiern, denn pulln inne Kutter auffn See un Seemanschaft. Einige vonne Ausbilder waan Singnalgastn. Dauerte nich lange un ich musste den Maat bein Winkn un Morsn unnerstüzzn. Ich konnte schon zuviel. Er gab mir die, die noch gaanix konntn un ich musste mit den'n das Alfabeht übn. So, un an ein Tach, kurz vor Ende der 3,Woche, kam ein Frisör un schnitt uns alle die Haare ganz kurz. Balt ‘ wie in Knast. Das waa aber der H.J.Schnitt. Sicher eine Anortnunk von "ganz obn". Aus andere Lager kam'n sie nemmlich genauso wieder.

Wenichstenz hatte ich an Ende 'ne Bescheinigunk, das ich die See sportprüfunk bestandn hatte. Nu durfte ich 2 Winkl auffn Uniform ärml tragn. Pech, denn ich hatte ja keine.

 

 

Grossangriff auf Hamburg

Balt danach gabs Bescheid für ein paa Lehrlinge inne Gewerbeschulklasse: Fertichmachn zur Gesellnprüfunk nach 2 1/2 Jaahn. Wir waan die Ältestn inne Klasse. Un so musste ich mit mein'n Lehrkollegn, der im 3. Lehrjaah waa, die Prüfunk machn.

Dann kam der Bescheit: 22. Juli, Freitachmorgn bei Wilhelm Fette, Sprizznplazz in Ottnsen, Hinterhof, zur praktischn Prüfunk einfindn. Sonnabend Nachmittach um 4 Uhr gabn wir unser Werkstück ab.

Mit 2 Aktntaschn voll Werkzeuch fuhr ich denn nach Hause, zu mein'n Eltern. Liess die Taschn da un fuhr wieder zur Firma, weil ich Luftschuzzwache hatte. Wie immer, waan noch 10 annere Lehrlinge da un wir spieltn 17 un 4. Denn gingn wir schlafn.

Um 1 Uhr nachts heultn die Siren'n los un denn krachte es auch schon an alln Eckn. Der erste Grossangriff auf Hamburch un Altona begann. Wir liefn auf unsre zugeteiltn Postn un saan die Tann'nbeume anne Fallschirme hengn un hörtn die Bombn runterheuln un detoniern. Die Gebeude wackltn un wir liefn alle runter in Hof. Nu kam'n die Brandbombn un klackertn überall durche Dächer vonne Werkstättn un Schuppn. Überall fink es gleichzeitich an zu brennln.

 

 

Ein Macker un ich saan Feuer in Bürogebeude. Wir rauf, Schlauch angeschlossn, aber da gabs schon kein Wasser mehr. Nu habn wir die Santsäcke, die extra dafür dastandn, auffe Brandbombn geschmissn, soviel wir konntn un habn damit alle 3 Stück ausgekricht.

Aber wir hat dabei auch 'N Schuzzengl. Es gab Brandbombn mit Sprengsäzze. Die solltn die Leute von Löschn abhaltn. Unsre waan Gottsei dank "normale". Un denn waa unser Bürogebeude gerettet un die um liegndn Gebeude branntn alle ab. Unsere Motorsprizze holte alles Wasser aussn Löschteich. Die Lehrlinge hattn alle Schleuche ausgerollt, angeschlossn un bis zun lezztn Tropfn inne Glut gesprizzt.

 

 

Auch die Wohnheuser direkt nebn uns branntn obn. Hintn auffn Hof schrien Kanickl in ihre Stelle. Ich rüber über de Mauer un versucht die Schlösser aufzuknackn. Paa gingn, aber denn fieln Mauerbrockn von obn. Schnell hintn in Treppnhaus rein un wollte vorne wieder raus. Steht da 'n Mann hinter de Tür un kuckt in Feuersturm. Ich saach:"Raus hier, obn brennt alles." Saacht er: "In Keller sizzn die Leute." Ich denn runter: "Alles raus, das Haus brennt überall". Da sind sie alle raus un wir habn sie durche Fenster in unser heiles Bürogebeude geholt un nu konntn sie untn in unsere Kantine sizzn.

Als das Feuer bis zun Paterr runtergebrannt waa, fieln die Mauern zusamm'n un grosse Brockn anne Seite auf unser Dach. Habn wir alle aufgepasst das es nich anfenkt zu brenn'n. Alle meine Kollegn standn auf unser Dach un kuckn sich das Schauspiel an. Konnz überhaupt nix mehr machn, nur zukuckn.

 

 

Die Nacht gink rum, aber es wurd gaanich hell. Ganz Hamburch un Altona waa von Kwalm zugedeckt. Zu de Kumpls saachte ich: "Will ma nach Hause un kuckn un auch zeign, das ich noch leb. Die Streesemannstrasse un Kieler Strasse waan wenich un locker bebaut. Aber denn, anne Langnfelder Strasse un Paulin'nallee, da fingn die Blocks an. An Anfank, in Altona, standn die Heuser noch. Aber an unser Ende konnt ich nich ran. Vonne Grenzfehle an, alles ausgebrannt un de Mauern von beide Strassnseitn auffe Strasse gestürzzt. Alles eine Glut un konnz nich weiterkomm'n.

Hab ich denn versucht vonne Waterloostrasse un Schussee ranzu komm'n. Dasselbe. Da hab ich natürlich schreckliche Gedankn gekricht. Vater, Mutter un Schwester waan doch zu Hause gewesn un 'n Luftschuzzkeller hattn wir nich ausser den normaln, leern Ladn. Leute liefn nur ganz wenich rum. Kannte ich kein'n von. Gink denn zurück zu de Firma. Von meine Kumpls waan mehr zu Hause gewesn un habn nix mehr gefundn. Annere, von Bahnfeld, Lurup un Ottnsen hattn mehr Glück.

 

 

Hab denn inne Firma in mein Luftschuzzbett geschlafn un mit aufgereumt. 2 Tage spehter mit ein Kumpl wieder nache Paulin'nallee. Nu konnz obn auffe Trümmersteine schnell hinlaufn. Alles wech. Von unsern Haus nur noch paa Fensterhöhln in Paterr. Danebn hab ich denn mitn Stück Stuck, gink wie Kreide, geschriebn: Willy Krause lebt. Treffn hier an sounsovieltn um soviel Uhr. Denn zu de Bunker inne Umgebunk. Auch angeschriebn un in Bunker bekannte Gesichter gesucht. Fand ich nur 'ne ganz alte Frau aus unsre Strasse. Die waa aber wohl durchgedreht. Saachte nur immer vor sich hin: "Alle tot, alle tot."

 

 

Auf der Suche nach der Familie

An den besaachtn Tach bin ich denn überall hin. Aber waa keiner von unsre Familje da. Das erzehlte ich mein Meister un saachte: "Solltn die noch lebn, sind sie bestimmt in Leipzich. Ich faah jezz hin."

Bin ich auch. Musste mich aber ers bis Haaburch durchschlagn, weil bis dahin die Eisnbaangleise kaputt waan. Ab da gingn die Züge. Alle voll mit Ausgebombte. Diesma aus Hammerbrook, Barmbek usw. Waa ein grosses Elend.

Oma un Opa in Leipzich wusstn nix. Aber annern Morgn kam eine Post kaate aus Mecklenburch. Mutter un Schwester waan auffn Rittergut Neese bei Grabow. Vater waa noch in Hamburch gebliebn bei de Hilfspolizei inne Emiljenstrasse. Hurraah!

Rein in nechstn Zuch un nach Mecklenburch. Von Hagenow nach Grabow saass ich auffn Trittbrett von Güterzuch. Der Zuch kam aus Hamburch un waa voll mit Ausgebombte aus Osthamburch. Die meistn Leute hattn ihr Nachtzeuch an. Kein Koffer, nix. Die Hanttasche mit Papiere waa wichtiger. Eine Frau in Hemt, die in selbn Waggon waa, tikkte mich an. Sie kannte mich ausse Bücherei auffe Schussee wo meine Mutter ma gearbeitet hatte. Ich kannte die Frau nich wieder.

 

 

Von Grabow bis zun Rittergut Neese musste ich laufn. Auffn Weech dahin machte ich an Strassnrand Pause, als eine Kutsche vobeifuhr. Kutscher un Ehepaa hintndrin, grüsstn. Waa tatsechlich das Hochherrschaftliche Paa. Eine Frau zeichte mir noch ne Abkürzunk übere Felder. So kam ich von hintn an das Haus wo Mutter un Schwester waan. Unsre Nachbaan ausse Paulin'nalle hattn die beidn da mit hingenommn.

 

 

Mich hattn sie aber schon lange entdeckt un die Freude waa riesich. Alle 4 lebtn un das waa die Haupsache. Mutter hatte noch völlich verklebte Haare. Es gab nix was die Schmiere, Russ un Sott ausse Brand wolkn wieder auflöste. Ich waa auch ganz schön kaputt un hab einfach paa Tage Urlaub da gemacht.

Wieder inne Firma zurück, gink das Schuttaufreum'n los. Die Maschien'n ausse Trümmer holn un auffn Hof stelln. Da stant ein Dreibein mitn Flaschnzuch. Die Maschiene wurde mit'ne Kette von Hant hochgezogn, Ferdewagn untergestellt un Maschiene runnergelassn. Da zogn denn 2 Ferde los nach Bahnfelt rauf. Abgeladn wurdn sie gegn über vonne Trabrennbaan. Da standn leere Werkhalln von V.D.M. die mit ihre Propellerprodukzion nach Schlesien umgezogn waa. Eine Etaje bekam unsre Firma un wir richtetn uns ein. Nu zerleechtn wir unsre Drehbenke, Freesmaschin'n, Bohrmaschin'n usw. entrostetn sie, machtn die Gewinde wieder gengich, un maltn sie an. Schon balt konnt die Produkzion wieder aufgenomm'n werdn. Ventile un Hehne für UBoote un Tiefnsteuerapparate für Torpedos, Eckernförder Versuchsanstalt.

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