Unsere Erlebnisse

Erlebnisse auf dieser Seite

Badetag von Fritz Schukat
Die Nacht mit Alvisias Füßen von Annemarie Lemster
Hygiene in unserer Kindheit von Annemarie Lemster
Wasser, unser Leben von Edith Kollecker

 

Badetag

von Fritz Schukat, aufgeschrieben am 22.01.2004
Meine Großeltern lernten sich in Berlin kennen und heirateten 1905. Sie hatten vier Kinder, zwei Mädchen und zwei Jungen. Opa war Schuhmacher, später Droschken-kutscher und schließlich Taxifahrer und die Oma sorgte als Zwischenmeisterin für ein kleines Zubrot mit ihrer Näherei. Im Jahre 1911 zogen sie nach Rixdorf, bei Berlin - inzwischen heißt diese Stadt Neukölln und ist einer der 20 Bezirke der Hauptstadt - und bezogen in einem damaligen Neubau eine große Wohnung, die sie ein Jahr lang ohne Mietzahlung „trockenwohnen“ durften.

Die Häuser in dieser Gegend waren als so genannte Offizierswohnungen konzipiert, d.h. pro Etage gab es nur eine einzige Wohneinheit. Aber das Konzept ging nicht auf, so dass aus der einen Großwohnung nachträglich drei Einzelwohnungen entstanden. Auf jedem Stockwerk gab es aber nur eine Wohnung mit Badezimmer und just diese Wohnung bekamen meine Großeltern. Später mieteten sie sie endgültig und in der Folgezeit wurde diese Wohnung für über 60 Jahre der Mittelpunkt unserer Großfamilie. Als die Kinder flügge wurden, ging es bei Tante Tilla wie in einem Taubenschlag ein und aus. Später, Mitte/Ende der 1930er Jahre wurde der Familienzusammenhalt noch größer, weil inzwischen die Enkel geboren wurden und weil die Töchter und Schwiegertöchter beim Ausfertigen der Kinderkleider, auf die sich meine Großmutter spezialisiert hatte, mithalfen.

In alter Tradition fand am Wochenende dort der Badetag statt. Ganz in der Nähe der großelterlichen Wohnung hatten sich drei der vier Kinder, die inzwischen verheiratet waren, niedergelassen, aber Familienmittelpunkt blieb weiterhin die Wohnung ihrer Eltern. Seinerzeit gehörte eine Wohnung mit Bad und Innentoilette noch zu den großen Ausnahmen, wenngleich in den eintönigen Neubauten, die dann in den 20er-30er Jahre entstanden, alle Wohnungen mit diesem Komfort ausgestattet wurden.

Im Badezimmer gab es eine riesige Wanne, die auf stilisierten Löwenfüßen stand. Eine Kachelverkleidung gab es damals noch nicht. Am Fußende befand sich der Badeofen, ein fast zwei Meter hohes, röhrenartiges Gebilde, das auf einem kleinen Bollerofen stand und per Hand mit Kohle oder Holz oder mit beidem beheizt werden musste. Dieses raketenähnliche Gebilde war mit Wasser gefüllt, das darin erwärmt wurde. An dem Badeofen war eine riesige Armatur angebracht. Der Einlaufhahn maß etwa 40 cm und es gab eine statische Dusche, die man nicht bewegen konnte. Ihr Strahl setzte die Badestube regelmäßig unter Wasser, weshalb es uns verboten wurde, den entsprechenden Hahn aufzudrehen. Das Anheizen dauerte natürlich ein Weilchen und wir Kinder halfen gern beim Besorgen des Nachschubs, denn die Presskohlen und ein Holzvorrat lagerten auf dem Flur hinter einem Vorhang. Während Oma und Opa mit ihren Söhnen in der „Guten Stube“ Skat spielten, sorgten sich die Frauen um uns Gören.

Erst kamen die Jungs ins Wasser und wenn die fertig waren, die Mädchen. Das Wasser wurde natürlich nicht herausgelassen, es kam ein wenig warmes dazu und schon war das Bad für sie gerichtet. Mein Cousin war gut ein Jahr jünger als ich, alberte aber wieder einmal rum. Er war schon fertig angezogen und trug einen hübschen Matrosenanzug, das war damals für kleine Jungen sehr chic und er hatte, glaube ich, auch schon seine Schuhe an. Inzwischen waren meine Schwestern im Wasser und er rannte immer hin und her. Nachdem er sich an einer Presskohle die Händchen dreckig gemacht hatte, sollte er sie in der Wanne abspülen. Offenbar kam er aber nicht so weit über den Wannenrand, dass er Wasserberührung bekam, deshalb zog ihn meine große Schwester „liebevoll“ hinunter, zog aber wohl auch aus Übermut ein bisschen zu stark und der kleine Junge lag prustend und mit voller Montur im Wasser. Im ersten Augenblick wusste keiner so genau, was nun folgen würde, als aber der kleine Mann in seinem nassen Matrosenanzug mitten im Wasser stramm stand und salutierte, fingen selbst die Erwachsenen, die rasch dazu kamen, lauthals an zu lachen.

Diese Geschichte wurde noch lange erzählt, wenn wir Enkel uns später auch mit unseren Partnern „bei Oma“ einfanden, denn das Wochenende bei Oma war noch lange Tradition, wenngleich dann doch mehr mit Kartenspielen als mit Baden verbunden!

 

Die Nacht mit Alvisias Füßen

von Annemarie Lemster

Wieder einmal auf dem Land bei Tante Threse. Bei 12 Kindern gab es dort weder für jedes Kind ein eigenes Zimmer, noch gab es für jedes ein eigenes Bett. Es schliefen immer mehrere Kinder in einem Bett. Wenn wir dort zu Besuch waren, wurde noch mehr zusammengerückt und dann schliefen wir auch schon mal zu viert in einem Bett, zwei oben und zwei am Fußende. Ich musste dann oft die Vierte in dem Bett sein, in dem auch Cousine Alvisia schlief. Sie war älter als ich und hatte damit das Recht, oben am Kopfende zu liegen.
Nun ist es auf dem Land bei so vielen Kindern mit der Hygiene nicht so dolle her. Wenn meine liebe Cousine ins Bett kam und sich ausstreckte, hatte ich immer ihre Füße vor meiner Nase. Sie rochen entsetzlich und - wie ich fand - nach Kuh.
Für mich roch damals alles, was nur im Entferntesten mit Bauernhof zu tun hatte, nach Kuh. So ist Cousine Alvisia mir immer nur unangenehm riechend in Erinnerung.
Ein herzliches Verhältnis konnte ich nie zu ihr aufbauen, auch wenn mir mein erwachsener Verstand heute sagt, sie weiß was Seife ist und sie benutzt sie auch, so erschnüffele ich immer noch Fußgeruch.
erstellt am 10.03.2009

 

Hygiene in unserer Kindheit

von Annemarie Lemster

1946 wurde meine Mutter sehr schwer krank. So kam ich, ein Stadtkind, für ein dreiviertel Jahr zu meiner Tante aufs Land. Hier lebte ich recht zufrieden, nicht zuletzt, weil es hier eine gleichaltrige Cousine gab.
Die sanitären Verhältnisse hatten mit denen in Hannover überhaupt keine Ähnlichkeit. Wasser musste noch aus der Dorfmitte vom Brunnen geholt werden. In der Küche standen immer zwei Eimer mit Brunnenwasser, dieses durfte nur zum Essenkochen und zum Trinken verwendet werden. Für alles andere gab es Regenwasser. Auch mit diesem wurde immer sehr sparsam umgegangen.
Von der Küche kam man auf den Hof. Gleich neben der Tür stand ein Dreibeineisengestell mit einer Schale darauf, diese hatte eine Ausnehmung für ein Stück Kernseife. In diese Schüssel kam am Morgen immer frisches Wasser für die Morgenwäsche (auf dem Hof) von sechs Personen! Da meine Cousine und ich die Jüngsten waren, waren wir immer die letzten beim Waschen. Wie habe ich mich jeden Morgen geekelt, wenn ich an die Schüssel kam und dieser widerlich graue Seifengrind mir entgegensah. Bis zum Mittag blieb dieses Wasser noch in der Schüssel. Für den, der aus dem Garten kam, war es „immer noch gut“. Nach dem Mittagessen gab es neues Wasser in der Schüssel.
Das Klo war ebenfalls auf dem Hof, nur etwa sechs Meter von besagter Schüssel entfernt. Und vier Meter rechts daneben war der große Misthaufen. Das Klo war ein Bretterverschlag mit Herzchentür und innen gab es eine Sitzbank mit einem Loch, darunter stand eine große Tonne für die menschlichen Hinterlassenschaften. Am Wochenende wurde diese Tonne auf dem Mist geleert. Für mich immer eine eklige Angelegenheit.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals zum Händewaschen nach einem Klobesuch aufgefordert wurde.
Bei so viel Fäkal auf engem Raum blieb das Ungeziefer nicht aus. Ich weiß es noch wie heute, an einem Freitagnachmittag verschwand mein damals 18jähriger Cousin hinter der Herztür, um nach wenigen Augenblicken schreiend aus der Tür zu springen. An seinem blanken Hintern hing eine Ratte. Die hatte in der Tonne gesessen und als nun etwas von oben herunter fiel, fühlte sie sich gestört und verbiss sich in das Hinterteil meines Cousins. Mein Onkel kam, nahm die Ratte, erschlug sie und schmiss sie im hohen Bogen auf den Mist. Dann leerte er die Tonne um nachzuschauen, ob noch weitere Ratten drin wären. Meinem Cousin wurde der Hintern gewaschen, mit Jod eingestrichen, und alle gingen wieder ihrer Beschäftigung nach.
Dieses Erlebnis war schrecklich für mich und hatte zur Folge, wann immer ich es vermeiden konnte, besuchte ich dieses Klo nicht. Ich ging lieber gleich an den Mist, dort konnte ich kontrollieren, was um mich geschah. Ich dachte immer bei mir, meine Hinterlassenschaft brauch Onkel Karl nicht auszukippen, ich war ja am Rand von der Miste.
Es war trotzdem eine schöne Zeit für mich auf dem Lande. Nur an die Gerüche dort hatte ich mich nie gewöhnt.
gespeichert vor dem 01.07.2002

 

Wasser, unser Leben

von Edith Kollecker

Ich habe in meinem Leben unterschiedliche Wasserstellen erlebt. Die ersten Erinnerungen waren in meiner Kindheit in Pommern. Wir lebten auf einem Gut und hatten damals schon fließendes Wasser. Als Tagelöhner hatten wir allerhand Vieh, das laufend mit Wasser versorgt sein musste. Mein Vater oder meine Schwestern, die alle älter waren als ich und schon auf dem Gut arbeiteten, holten es in Eimern von einem 50 Meter entfernten Pumpenhaus. Diese Anlage benutzten fast alle Familien. Für unseren 9-Personen Haushalt standen immer 2 Eimer Wasser in der Küche auf einer Holzbank. Daneben ein Blechbecher, damit konnten wir uns bedienen, wann immer wir Durst hatten, und den hatten wir immer!
Außer Milch, die uns nicht schmeckte, stand uns nur das Wasser zur Verfügung, um unseren Durst zu löschen. Sehr wichtig war natürlich das Wasser für die Tiere, Kühe, Hühner, vor allen Dingen die Gänse und Enten schnatterten den ganzen Tag am Wassertrog und verpanschten sehr viel. Rund um den Trog war dann alles matschig.
Sehr aufwändig mit Wasser war dann der Waschtag. Der große Waschkessel, in dem meistens die Schweinekartoffeln gekocht wurden, diente dann für die Wäsche. Sie wurde am Abend im Kessel mit „Sil“ eingeweicht und etwas erwärmt. Den nächsten Tag wurde die Wäsche gerubbelt und mit frischem Wasser gekocht. Mit einem Wäschestampfer wurde sie ab und zu runter gestampft, wenn sich die Laken und Bezüge aufblähten. Mit einem Holzpaddel, der mit „Persil“ beschriftet war, wurde die Wäsche in einer Zinkwanne auf einer Karre zum Pumpenhaus gefahren, um sie dort zu spülen. Die Armatur war dort auch größer: im Nu war die Wanne voll mit frischem Wasser.
In den dritten Spülgang kam dann noch etwas Wäscheblau hinein. Die Wäsche wurde von meiner Mutter ausgewrungen und wieder nach Hause gefahren. Dann wurde alles auf eine lange Leine zum Trocknen aufgehängt, ab und zu kam eine Astgabel als Stütze dazwischen, damit sie nicht so weit durchhing.
Das Pumpenhaus wurde gespeist von einem Wasserturm und einer Wasseraufbereitungsanlage, die wir bei unserem Besuch im Jahre 2005 nur noch als Ruine vorfanden.
Auf unserer Flucht im März 1945 wurden die Ziele so angefahren, dass immer Wasser vorhanden war, in weicher Form auch immer. Mal war es ein Gut, dort war immer fließend Wasser, dann ein Dorf mit einem Brunnen auf dem Marktplatz. Das Wasser war wichtig für uns und noch wichtiger für die Pferde, denn sie waren unsere Investition, um in den Westen zu gelangen.
Meine erste Unterkunft nach unserer Flucht war ein Bauernhof, dort kam das Wasser auch schon „aus der Wand“. Wir trauten dem nicht so recht, gossen dann einen Eimer Wasser in eine kleine Aufbereitungsmaschine und unten kam dann das Wasser raus, das wir trinken durften.
Meine nächste Wohnung war wieder ein kleines Gut. Auch dort kam das Wasser aus Hähnen. In Ellerau 1952 hatten wir eine 20 Meter entfernte Schwengelpumpe, die im Winter mit Stroh umwickelt wurde. Man musste oben etwas Wasser hinein gießen, bevor man überhaupt Wasser hoch pumpen konnte.
Auch 1955 in meiner nächsten Wohnung in Friedrichsgabe waren wir mit einer Pumpe gesegnet, aber die stand bereits auf der Diele und gab uns ohne Probleme immer klares, frisches Wasser.
Als wir uns 1959 ein Grundstück in Quickborn Heide kauften, wurde als erstes ein Brunnen gebohrt und eine Pumpe installiert, die uns in der ganzen Bauphase mit Wasser versorgte. Später, beim Einzug 1963, wurde daraus eine Hauswasseranlage gemacht.
Nachdem wir schon viele Jahre Stadtwasser haben, dient sie noch immer zur Bewässerung für unseren Garten!

gespeichert am 27.02.2007