Unsere Erlebnisse

Erlebnisse auf dieser Seite

Fische von Uwe Neveling
Jenny von Uwe Neveling
Keine Küsse von Uwe Neveling
Das Versprechen von Uwe Neveling
Die Hunde sehen scheiße aus von Uwe Neveling

 

Fische

von Uwe Neveling erstellt im Februar 2014

Die Frostperiode war kurz und heftig gewesen. In meinem Fischteich bildeten sich Eisblöcke. Sie reichten fast bis zum Teichgrund. Ich fürchtete um meinen Fischbestand. Ganz so schlimm war es dann doch nicht. In der Winterzeit reduzieren die Fische ihren Stoffwechsel und warten auf warme Tage. Sie liegen so lange bewegungslos auf dem Grund. Natürlich darf der Teich nicht komplett zugefroren sein; freies Wasser zur Abgabe des Sauerstoffs muss noch vorhanden sein. An diesen Stellen halten sich die Wasserbewohner auf.

Ich bin froh, als das Wasser zu schmelzen beginnt. Das Eis verflüssigt sich. Das Wasser nimmt die warmen Sonnenstrahlen auf, und die Wassertemperatur steigt schnell auf 10 Grad. Das merken auch die Fischwesen. Sie verlassen ihren Liegeplatz und schweben mit langsamen Bewegungen dem Sonnenlicht entgegen. Sie sind plötzlich alle wieder da, meine Kois und meine Goldfische. Ich streue Kraftfutter auf die Wasseroberfläche. Heißhungrig machen sie sich darüber her. Im Nu verschwinden die Futterflocken in ihren Mäulern. Die Wasseroberfläche gerät in tsunamiartige Bewegung.

Ich muss jetzt auch an die Wasserpflanzen denken. Pflanzen, auch Wasserpflanzen, brauchen Dünger. Ich habe mir einen großen Eimer besorgt und verteile ihn im Pflanzenbereich meines Teiches. Ich ziehe dann den Behälter mit einer flüssigen chemischen Substanz aus dem Wasser. Das ist ein Tongefäß mit einem Plastiktank. Der flüssige Inhalt wird tröpfchenweise an das Wasser abgegeben. Sie reagiert mit dem Wasser und gibt den in der Substanz gebundenen Sauerstoff frei. Ich tauche das Tongefäß mit dem aufgefüllten Tank ins Wasser und lasse es auf den Boden sinken.

Das Gewässer muss dauernd gereinigt werden. Ich schließe mein Pumpsystem an. Das Wasser wird mit Motorkraft angesaugt, durchläuft ein mit Filtermasse gefülltes Becken und fließt gereinigt in den Teich zurück. Ich habe die Fische schon viele Jahre. Glauben Sie es mir, dieser Kreislauf ist der Garant für einen gesunden Fischbestand.

Bei mir haben es die Fische gut. Neulich sagte meine Frau zu mir: „Wenn Du mich auch so pflegen würdest wie Deine Fische, dann würde es mir auch gut gehen.“ Ich habe es ihr versprochen.

 

Jenny

von Uwe Neveling erstellt im April 2013

Sie blickte uns mit ihren blauen Augen an. Sie schimmerten blass. Wir streichelten ihren Kopf und ihren Körper. Vertrauensvoll versuchte sie, ihren Kopf anzuheben. Aber das ging nicht mehr. Er sank auf die unter ihr liegende kleine Decke. Ihre Augen wurden immer kleiner und ihr Atem wurde immer flacher. Ihr Körper lag lang gestreckt auf der Decke. Während man sonst sah, wenn sie ein- und ausatmete, konnte man jetzt nichts bemerken. Ich legte meine Hand auf die Körperseite. Da war nichts mehr. Die kleine rote Zunge hing ihr aus dem Maul. Die Augen hatte sie jetzt weit geöffnet. Ihr Blick wurde glasig. Sie war ruhig und sanft für immer eingeschlafen.

Die Tierärztin hatte sie narkotisiert und danach mit einer Überdosis des Narkosemittels eingeschläfert. Zuvor hatte sie uns Zeit gelassen, von Jenny Abschied zu nehmen. Jenny war stark abgemagert und ihr Fell glänzte nur noch matt. Und sie hatte früher ein wunderbares Beige-Braunes. Sie war eine Ragdoll. Fachleute nennen diese Farbetönung seal-mitted. Sie erblickte am 10. Juni 1993 das Licht der Welt. Nach fast 15 Jahren mussten wir uns am 11. März 2008 von ihr verabschieden.

Ihr Zustand hatte sich in den letzten Wochen verschlechtert. Sie kämpfte dagegen an, trank viel, aß aber nur das Notwendigste. Sie kam dann sofort zu uns gelaufen, legte sich neben uns aufs Sofa und schlief. Nachts legte sie sich zu uns ins Bett oder lief durch das Haus und sang laut ihre Lieder. Das alles wird uns jetzt fehlen.

Wir mussten mit ihr zum Arzt. Die Tierärztin entnahm aus den beiden Vorderpfoten Blut. Dabei stellte sie fest, dass nur sehr wenig Blut durch die Adern floss. Sie sah sofort, dass der Körper ziemlich ausgetrocknet war. Die Blutuntersuchung dauerte eine Viertelstunde. Dann wurde uns das Ergebnis mitgeteilt. An Hand einer Graphik erläuterte uns die Tierärztin den Befund: Die Nieren würden nur noch zu 30 Prozent arbeiten; der Ausfall sei irreparabel. Auch die weißen Blutkörper wären am oberen Limit. Es müsste also auch noch eine Entzündung im Körper sein. Die anderen Blutwerte wären ebenfalls schlecht. Eine Besserung sei nicht möglich, man könnte lediglich versuchen, den augenblicklichen körperlichen Zustand für eine längere Zeit „einzufrieren“. Man müsste aber jederzeit mit einer erheblichen Verschlechterung rechnen. Sie empfahl uns, Jenny sanft und schonend einzuschläfern.

Die Tierärztin war sehr einfühlsam und ließ mich mit meiner Frau allein im Behandlungszimmer. Wir blickten uns schweigend an und nahmen Abschied von Jenny. Wir streichelten sie und sprachen leise auf sie ein. Jenny blickte uns stumm an. Sie schien auch Abschied von uns zu nehmen. Dann teilten wir der Tierärztin unsere Entscheidung mit. Jenny ließ auch diese letzte Behandlung klaglos über sich ergehen.

Wir sind traurig und trösten uns damit, dass Jenny jetzt bei Charly im Katzenhimmel ist. Von ihrem Cousin Charly mussten wir uns vor fünf Jahren auf ähnliche Weise trennen. Wir vermissen beide sehr.

 

Keine Küsse

von Uwe Neveling

Dyman, unser Berner Sennenhund ist unruhig. Er läuft von der Küche in den Flur und zurück. Dabei knurrt und bellt er. Es ist neun Uhr. Um diese Zeit gehen wir mit ihm in den Wald.

Es ist nur ein kleiner Wald. Durch den Wald führt die Verlängerung unserer Wohnstraße. Es ist dann ein ganz normaler Feldweg, der einige Male im Jahr von Holztransportern aufgesucht wird. Vor einigen Wochen hat man Bäume gefällt, sie von Ästen befreit und die Stämme in transportable Längen geschnitten. In unregelmäßigen Abständen kommen jetzt mächtige Fahrzeuge und holen die Holzstämme ab. Links und rechts vom Waldweg hat man die Stämme sorgfältig gestapelt. An den Schnittstellen wurden sie farblich gekennzeichnet und teilweise nummeriert.

In diesen Wald gehen wir mit Dyman jeden Morgen und jeden Abend. Das braucht er. Er ist groß, und er benötigt in der Wachstumsphase viel Bewegung. Er genießt auch die Begegnung mit Artgenossen. Sie stürmen dann durch das Unterholz, kämpfen spielerisch miteinander und messen so ihre Kräfte. Für einen neutralen Beobachter sieht die Rangelei gefährlich aus. Es sind aber nur Scheingefechte. Die Hunde tun sich nichts.

Dyman kennt die Zeiten. Es ist so, als hätte er eine innere Uhr, die ihn an den Aufbruch erinnert. Er wird dann unruhig und bellt. Schnell legen wir ihm sein Halsband an. Er hastet durch die geöffnete Tür zum Auto. Doch halt! Zunächst sprintet er zum Futterkasten. In dem Kasten verwahren wir Leckerlis. Die füllen wir in unsere Taschen. Dabei erhält er einige Wenige bereits jetzt schon. Mit einem Handzeichen machen wir ihm klar, dass es nichts mehr gibt. Er eilt zum Auto. Mit einem Satz springt er in das Hundeabteil, das wir für ihn eingerichtet haben. Dann kann es los gehen. Die Fahrt zum Wäldchen dauert nur fünf Minuten. Wir parken den Wagen, öffnen die hintere Fahrzeugtür. Neugierig blickt Dyman aus dem Wagen. Das Gelände kommt ihm bekannt vor. Er springt heraus, läuft um den Wagen herum, markiert einige Bäume mit seiner Duftmarke, erhält einige Leckerlis als Wegzehrung. Wir schlagen uns in die Büsche.

Wenn es geregnet hat, sind einige Wegstrecken doch sehr moderig und matschig. Dort wo Bäume gefällt wurden, haben die Waldfahrzeuge den Boden tief aufgeweicht. Das Laufen bereitet dann kein Vergnügen. In den letzten Wochen ist es kalt gewesen. Der Boden ist hart gefroren. Man kann jetzt sogar über die Schlammlöcher laufen. So bereitet der Rundgang Freude. Dennoch muss man auf den Weg achten: Baumwurzeln werden zu Stolpersteinen und zu Eis gefrorene Pfützen führen zu unfreiwilligen Rutschpartien.

Wir gehen fast immer dieselben Wege. Eine große Auswahl gibt es in dem kleinen Wäldchen nicht. Zu unseren bevorzugten Pfaden gehört der Tunnelweg. Den Weg habe ich so genannt, weil die Bäume dicht beieinander stehen, und das Blätterdach einen langgestreckten Tunnel bildet. Im Frühjahr, im Sommer und im Herbst ist diese Strecke märchenhaft. Jetzt, im Winter, ist der Blick in den Tunnel hell und klar. Weiter oben öffnet sich eine Seite zu einem offenen Feld hin. Eine dünne Schneedecke bedeckt den Acker. Aus größerer Entfernung meint man auf einen See zu blicken. Der Weg endet an einem Bahndamm. Kurz vor dem Ende zweigt ein schmaler Pfad ab, der sich am Bahndamm entlang zum Hauptweg schlängelt. Der Weg ist nur zwei Fuß breit. Baumwurzeln bilden Treppen, über die wir anfänglich vorsichtig gegangen sind. Zwischenzeitlich kennen wir den Weg sehr gut und überwinden mühelos die kritischen Stellen.

Dyman und meine Frau laufen vor mir her. Der Weg ist mir vertraut, ich achte daher nicht auf den Untergrund. Ich gerate auf eine zugefrorene Pfütze, rutsche aus und falle. Ich kann mich nirgendwo festhalten. Ich liege urplötzlich auf dem Rücken. Über mir sehe ich die erschrockenen Augen meiner Frau. Sie hat meinen unfreiwilligen Abgang bemerkt und ist zur Absturzstelle geeilt. Auch Dyman will sich das Ereignis nicht entgehen lassen. Auch er eilt zur Unfallstelle. Meine Frau will mir hoch helfen. Ich lehne dankend ab. Jetzt bietet mir Dyman seine Hilfe an. Er stupst mich mit seiner kalten Schnauze an. Mit der langen, feuchten Zunge versucht er mir Leben einzuhauchen. Er leckt mir über das Gesicht, über die Brille. Ich kann nichts mehr sehen. „Keine Küsse“ rufe ich ihm zu. Er fasst das als Aufmunterung auf. Er leckt und leckt und leckt. Es gelingt mir, mich ohne Hilfe aufzurichten. Ich blicke in die besorgten Augen unseres Hundes. Eine letzte Begegnung mit der Zunge. Es kehrt Frieden ein. Kurze Zeit später stehe ich wieder auf den Beinen. Dyman sitzt erwartungsvoll vor mir. Er erhält sein Leckerli. Schließlich hat er sich wie ein Rettungshund verhalten. Vielleicht schlummern ungeahnte Fähigkeiten in ihm. Wir werden das weiter beobachten.

„Keine Küsse“ ist bei uns ein geflügeltes Wort geworden. Immer dann, wenn jemand Hilfe benötigen könnte, sie aber nicht will, heißt es: Keine Küsse.

 

Das Versprechen

von Uwe Neveling

Der 29. September zeigte sich von seiner herbstlichen Seite. Es hatte die ganze Nacht geregnet und es regnete immer noch. Es wollte gar nicht hell werden. Noch waren die Blätter an den Bäumen grün. Das Grün verblasste aber immer mehr. Einige Blätter hatten sich von den Zweigen gelöst und lagen auf der Straße, leblos. Die Natur bereitete sich offensichtlich auf eine längere Atempause vor.

Heute morgen war er noch zu mir gekommen. Wie fast jeden Tag sprang er auf den Stuhl und machte es sich hinter mir bequem. Der Stuhl war sein Lieblingsplatz. Hier schlief er meistens. Von hier aus beobachtete er aber auch, was sich um ihn herum so tat. Neugierig sah er mir zu, wenn ich am Computer arbeitete. Genussvoll schloss er die Augen, wenn ich ihn streichelte.

Er hatte ein schönes, halblanges Fell. Es war überwiegend weiß mit braunen Stellen. Sein buschiger brauner Schwanz war oft steil nach oben gerichtet. Damit deutete er eine neugierige Erwartungshaltung an. So muss man es wohl nennen. Er war immer neugierig und erwartete Aufmerksamkeit.

Man konnte sich mit ihm unterhalten. Er war klug und gab immer die richtigen Antworten. Er hatte eine angenehme Stimme. Sie klang nie böse; sie war einschmeichelnd. Wenn ihm ein Missgeschick passierte, meldete er sich kleinlaut. Er war erst dann wieder zufrieden, wenn er merkte, dass wir es ihm nicht übel nahmen.

Letzten Samstag hatten wir ihm noch sein Lieblingskonfekt mitgebracht, schokoladenähnliche Leckereien. Sie sahen wie kleine Mäuse aus. Er saß vor dem Kühlschrank, sah uns mit seinen großen blauen Augen an und sagte nichts. Er sah uns nur an. Selbstverständlich bekam er seine Portion Mäuse.

Seit einigen Wochen ging es ihm gar nicht gut. Er hatte immer Hunger, konnte die Nahrung aber nicht bei sich behalten. Er magerte sichtlich ab. Was hatte er nur? Voller Sorge beobachteten wir ihn. Eine zeitlang schien es ihm wieder besser zu gehen und wir atmeten auf. Dann verschlechterte sich sein Zustand.

Ich fuhr mit ihm zum Arzt. Während der Fahrt war er sehr still. Er wusste wohl wie es um ihn stand. Ich sprach mit ihm und gab ihm mein Versprechen, ihn wieder mit nach Hause zu nehmen. Im Ultraschallbild sah ich es. Der Darmtumor war auf dem Monitor deutlich zu sehen. Daher also seine ständige Übelkeit. Während der Untersuchung hielt ich mit einer Hand sein Köpfchen, mit der anderen drückte ich beruhigend auf seinen Körper. Er sah mich nur an und sagte nichts. Ich konnte seinen Herzschlag spüren. Sein Herz schlug heftiger als sonst, aber nicht viel mehr. Es schien mir, als wollte er mich trösten. Er wusste mehr als ich.

Ich hoffte wieder, als der Arzt sagte, er wollte ihn operieren. Ich stimmte sofort zu. Der Arzt versprach, mich nach dem Eingriff sofort anzurufen. Das sollte am späten Nachmittag sein. Ich fuhr nach Hause.

Kaum war ich angekommen, da klingelte das Telefon. „Wir haben uns entschlossen, doch schon heute Vormittag zu operieren“ sagte eine Stimme am Telefon. „Der Tumor ist zu weit fortgeschritten, es haben sich überall Metastasen gebildet. Es ist nicht mehr operabel. Ich empfehle, ihn nicht mehr aus der Narkose zu holen und ihn einzuschläfern“. Die Stimme sagte noch mehr. Ich hörte schon nicht mehr richtig hin. Es waren, glaube ich, auch einige tröstende Worte dabei. „Es wäre so am besten, er müsste sich nicht mehr quälen“. Ich gab meine Zustimmung.

Ich benachrichtigte meine Frau. Mein Freund Charly ist nicht mehr. Das ihm gegebene Versprechen konnte ich nicht halten.

 

Die Hunde sehen scheiße aus

Von Uwe Neveling Januar 2012

„Die Hunde sehen scheiße aus!“ Die Hundetrainerin lachte laut. „Mit etwas Wasser und anschließendem Rubbeln mit einem Handtuch wird ihr Fell wieder schneeweiß“, meinte sie. Dann wandte sie sich wieder der Hundemeute zu. Alles begann mit dem Kommando „Hundeführer mit ihren Hunden in die Mitte!“

Doch muss ich mit meiner Geschichte etwas früher anfangen. Eddi, der kleine Retriever, war jetzt drei Monate alt. Er sollte nun zur Hundeschule. Schließlich müssen auch Hunde ihr Einmaleins beherrschen. Das brauchen Sie, um ihr Herrchen oder Frauchen zu erziehen. Eddi beherrschte zwar schon das Sitz- und Hinlegen - Kommando, war aber sonst noch ziemlich unbedarft. Seine Beine waren in den letzten Wochen etwas länger geworden und sein Körper rundlicher. Er trug aber immer noch sein Welpenfell. Beim Laufen stolperte er über seine eigenen Pfoten, legte sich auf den Rücken und wollte gestreichelt werden. Durch diese Demutshaltung erhoffte er sich Leckerlies. Die hatte er in der Vergangenheit reichlich bekommen und so sein Gewicht auf zehn Kilogramm gebracht.

Wir wuchteten die Zehnkilogramm in den Wagen und fuhren los, nach Padenstedt. Die Züchterin hatte zu einer ersten Unterrichtsstunde geladen. Ob er wohl seine Geschwister wieder erkennen würde? Wir waren pünktlich. Andere aber auch. Im Eingangsbereich trafen wir aufeinander, wir, die Begleitpersonen und die Hundemeute. Man beschnüffelte und erkannte sich. Durch ein lose befestigtes Gatter betraten wir den Hof. Überall standen Trecker und landwirtschaftliche Maschinen und Geräte herum. Für die Erwachsenen hatte man Sitzbänke und Tische aufgebaut. Es gab Kaffee und Tee zur Selbstbedienung. Das Hofareal bestand aus fest gestampfter Erde. Die warmen Sonnenstrahlen hatten den über Nacht gefrorenen Boden aufgeweicht. An der oberen Hofseite, den Sitzbänken gegenüber, waren kleine Holzspäne gestreut worden. Wahrscheinlich, um die Feuchtigkeit aus dem Boden zu ziehen.

„Hunde mit ihren Hundeführern in die Mitte!“ lautete das Kommando. So geschah es auch. Die Hunde saßen oder standen neben ihren Erziehungsberechtigten. Alle Namen konnte ich mir nicht merken, aber einige doch. Da war zunächst Eddi, der Kräftigste von allen. Dann gab es noch Emil, Elvis, Eischa und die schwarze Labradorhündin Luzie. Einige hatten schon ihr Welpenfell abgelegt und erschienen in piekfeiner Fellkleidung. Das sollte sich bald ändern. „Leinen los!“ rief die Trainerin. Gesagt getan. Dann ging die Meute ab. Man fiel übereinander, jaulte und bellte. Auch wir wurden in die Balgerei mit einbezogen. Rücksichtslos wurden wir von Hundewelpen überrannt. Sie donnerten gegen unsere Beine, klammerten sich an unsere Schuhe, rollten sich auf den Rücken, bildeten zu dritt und zu viert ein Wollknäuel und wälzten sich im Matsch. Man konnte die Hunde bald nicht mehr unterscheiden. Ihr Fell nahm eine hässliche grau-braun-schwarze Färbung an. Eddi sahen wir sehr oft unten liegen. Mit seinen kräftigen Pfoten versuchte er die über ihn Liegenden weg zu stoßen. Was manchmal auch gelang. Dann schmiss er sich auf seine Gegner und freute sich, wenn er auch mal die Oberhand behielt. Die Hunde genossen ihre Freiheit und tobten wild im Gelände herum. Wer sprach da von Schmutz. Sie nicht und wir auch nicht. Gelegentlich blickten die Hunde zu ihren Eignern herüber, kamen angetrabt und holten sich eine Streicheleinheit ab. Dann stürzten sie sich wieder ins Getümmel.

Nach einer guten Viertelstunde wurde es ernst. Die Hunde wurden angeleint. Das fanden sie gar nicht toll. Nur widerwillig unterwarfen sie sich der Macht des Stärkeren. „Warte nur, bis ich groß bin. Dann werde ich Dich auch anleinen“ schien mancher zu denken. Sie gingen an der Leine „bei Fuß“, und zwar immer auf der linken Seite. Problematisch war es, nach der Kehrtwendung auf der linken Seite zu bleiben. Einige mussten an der Leine auch gezogen werden. Man ging auch hintereinander im Kreis, lernte sitzen, hinlegen und auch, wie man seinen kleinen Lieblingen das Anspringen abgewöhnt. Die Erwachsenen erfuhren, dass sie die Welpen nicht überfordern dürfen. Der Spaziergang sollte eine halbe Stunde nicht überschreiten, dann wäre eine Ruhepause angesagt.

Zum Schluss durften die Hunde noch einmal rumtoben. Man merkte ihnen an, dass sie bereits Kräfte gelassen hatten. Außer heiserem Bellen und gelegentliche Bocksprünge brachten sie nicht mehr viel zustande. Man nahm Abschied. In einer Woche wollte man sich wieder treffen. Eddi ging brav an der Leine zum Auto. Auch ich schleppte mich zum Wagen. Ich hatte Unmengen von Kaffee zu mir genommen. Er war nicht besonders schmackhaft, aber er war heiß. Und das konnte ich bei der Kälte gebrauchen. Die dreckigen Zehnkilo mussten wir noch in den Wagen verladen, wir stiegen ein und fuhren los.

Zu Hause wurde Eddi mit warmem Wasser abgeduscht und abgetrocknet. Sein Fell war bald wieder blütenweiß. Beim dritten Wasserguss wollte er die Wanne verlassen. Es gelang mir, ihn wieder einzufangen. Abgesehen von diesem Vorfall, ließ er alles klaglos über sich ergehen. Er war nach einer kurzen Zeit wieder der Alte. Er wollte meine Frau und mich nicht gehen lassen. Er rollte sich vor unsere Füße, lag dann auf dem Rücken und ließ sich streicheln. Natürlich wollte er Leckerlies haben. Er bekam sie auch, allerdings in kleinen Mengen. Er sollte doch nicht zu dick werden. Wir achten jetzt darauf, dass sich das kräftige Hinterteil gleichmäßig auf seinen Körper verteilt. Schließlich haben Schlanke mehr Chancen beim anderen Geschlecht. Er wird uns wegen der erzwungenen Enthaltsamkeit später dankbar sein. Die Gründe für unsere Zurückhaltung werden wir ihm wohl erklären müssen. Er ist klug und wird uns verstehen. Wir meinen es doch gut mit ihm.