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Ein Wiedersehen mit der alten Heimat von Sigrid Gehrken

 

Ein Wiedersehen mit der alten Heimat

von Sigrid Gehrken

Der Wunsch, meine Heimat noch einmal zu sehen und an den Ort zurückzukehren, in dem ich geboren wurde, wuchs in mir und wurde immer stärker. Mir war klar, dass es ein Abschied für immer werden würde, und so machten wir uns, mein Bruder, der leider inzwischen verstorben ist, meine Schwester und ich auf die Reise. Zunächst fuhren wir bis Hirschberg, dem heutigen Jelenia-Gora. Hirschberg war eine Kreisstadt im ehemaligen Niederschlesien am Fuße der Schneekoppe, da wo die Elbe entspringt. In Hirschberg hatten wir Zimmer gebucht. Von dort aus unternahmen wir unsere Touren. Es war wie eine Reise in die Vergangenheit.

Am ersten Tag sind wir nach Giersdorf gefahren, der Ort, an dem wir zur Welt gekommen sind. Unser Geburtshaus existiert noch, allerdings konnten wir es nur von außen sehen, da es bewohnt ist. Dann fuhren wir noch einmal die Strecke ab, auf der wir 1945 mit dem Treck auf der Flucht vor den Russen waren. Wir hatten es damals leider nicht geschafft, bis in den Westen zu kommen. In Jakobstal holten uns die Russen ein und trieben uns wieder zurück.

Eine weitere Tour führte uns nach Agnetendorf. Dort hatten meine Großeltern väterlicherseits eine Schlachterei und ein kleines Fuhrgeschäft. Das Riesengebirge war damals schon ein beliebtes Ferienziel. Mein Großvater holte sehr oft die Gäste von der Bahn ab und brachte sie in ihre Ferienquartiere. Dann haben wir das „Haus Wiesenstein", ehemaliger Besitz des Dichters und Dramatikers Gerhart Hauptmann, besichtigt. Gerhart Hauptmann war ein guter Kunde meiner Großeltern, was so weit ging, dass er immer einen ganzen rohen Schinken, den mein Großvater selbst herstellte, nach Hiddensee mitnahm, wo er den Sommer über lebte. Wir haben noch mehrere Touren unternommen, unter anderen zur Kirche Wang und nach Bad Warmbrunn. Wir sind dann über Dresden wieder zurückgefahren.

Anhang
Gerhart Hauptmann wollte, wie in jedem Jahr, auf die Insel Hiddensee fahren, wo er die Sommermonate in seinem Haus verlebte. Und wie jedes Jahr durfte in seinem Gepäck besagter Schinken nicht fehlen. Einmal hatte mein Opa aus Gründen, die sich meiner Kenntnis entziehen, keinen Schinken da. Mein Opa wollte Gerhart Hauptmann aber nicht enttäuschen und besorgte einen anderen Schinken, was er aber verschwieg. Der Sommer war vorbei und als Gerhart Hauptmann wieder nach Agnetendorf in seine „Villa Wiesenstein" zurückkehrte, sagte er zu meinem Opa: „Herr Günther, das war nicht Ihr Schinken! Bitte sagen Sie mir, wenn Sie keinen Schinken haben!" Das gute Verhältnis hat zur Freude meines Opas nicht darunter gelitten, und die nächsten Schinken kamen wieder aus der eigener Schlachterei!