Unsere Erlebnisse

Erlebnisse auf dieser Seite

Tanzvergnügen von Werner Berg
Tanzstunde mit Folgen von Heinz Münchow
Tanzstunde von Edith Kollecker
Tanzschulenerlebnisse von Bernd Schwiers
Auf Schmusekurs von Jürgen Hühnke
Pub Relations von Jürgen Hühnke
Dorfschwof von Jürgen Hühnke

 

Tanzvergnügen 1945-1946

Holsteiner Hof in Quickborn 

im „Holsteiner Hof“ in Quickborn

von Werner Berg aufgeschrieben im Oktober 2011

Am Mittwoch, Sonnabend und Sonntag fand jeweils in der Zeit von 19:00 bis 22:00 Uhr ein Tanzvergnügen in Quickborn statt. Der Eintritt betrug 1,-- RM (Reichsmark). Als Getränk gab es ein so genantes Heißgetränk, es war alkoholfreie, rot gefärbte Brause. Der Preis betrug pro Glas auch 1,-- RM. Eine Tanzkapelle, bestehend aus 4 Mann, Klavier, Geige Akkordeon und Schlagzeug spielte die Tanzmusik. Das Tanzvergnügen fand im Saal des „Holsteiner Hof“ statt. Hierzu sollte man wissen, dass alle Gaststättensäle im Krieg beschlagnahmt waren. In den Sälen lagerten Heeresgüter und sonstige für den Krieg benötigte Materialien. Nach dem Krieg wurden die eingelagerten Materialien abtransportiert. Ein Teil war schon vor Kriegsende geplündert worden. Die Säle wurden gesäubert und soweit wie möglich restauriert und das normale Leben nahm zaghaft seinen Anfang.

Der erste benutzbare Saal war der vom „Grünen Jäger“ in Renzel. Dann folgte der „Holsteiner Hof“ und zuletzt der Saal vom „Quickborner Hof“, besser bekannt unter dem Namen „Tante Agnes“. Der Saal von Tante Agnes war erst spät wieder für Deutsche benutzbar, da hier die englische Besatzung ihre Kantine hatte.

Im „Holsteiner Hof“ bestand das Publikum überwiegend aus jungen Frauen und sehr jungen Männern. Die älteren Männer waren entweder im Krieg geblieben oder befanden sich noch in Kriegsgefangenschaft. Der Saal im „Holsteiner Hof“ wies eine Besonderheit auf. In einer Saalecke befand sich ein Podium mit Gitter. Der Zugang erfolgte über eine kleine Treppe. Auf dem Podium saßen die englischen Soldaten mit deutschen Mädchen. Die englischen Soldaten hatten natürlich die besseren und gehaltvolleren Getränke zur Verfügung und somit war die Stimmung auf dem Podium erheblich ausgelassener als im Bereich der Heißgetränke im restlichen Saal.
Aber immerhin begann mit diesem Tanzvergnügen das normale Leben in Quickborn wieder einzukehren.

 

Tanzstunde mit Folgen

von Heinz Münchow

Es war Anfang der 1940er Jahre. Der Krieg hatte angefangen. Die Zukunft hieß „Soldat werden“, wenn der Krieg länger dauerte.
Als Oberschüler in Stettin ging man zu „Angelstein“ in die Tanzstunde.
Ich weiß es noch genau: Tanzstunde und Vanilleduft. Natürlich musste man als „Herr“ einen Anzug mit Krawatte tragen! Der Vater war beruflich unterwegs, Mutter und ich des „Krawattenbindens“ unkundig. Die „Obermieterin“ aus unserem Mehrfamilienhaus konnte helfen! Sie erschien rechtzeitig zum Krawattenbinden u n d, sie duftete lieblich nach Vanille. Ich nehme an, sie war oftmals beim Kuchenbacken.

In der Tanzstunde wurden Weiblein und Männlein einander vorgestellt. Welch ein Gefühl! Mir gegenüber eine Reihe feingemachter Wesen, denen man nun näher kommen sollte! Man sollte sie sogar anfassen! Mein Blick blieb sofort an einem schwarzhaarigen dünnen Mädchen hängen - und konnte nicht wieder wegsehen! Sie hieß Inge Z.. wie ich dann herausbekam.

Nach Überwindung der physikalischen Massenträgheit stürzte sich mein Körper in Inges Richtung - aber sie war nicht mehr an ihrem Platz! Nein, sie stand im Hintergrund und unterhielt sich mit einem Jüngling, der schneller als ich gewesen war. Und ich? Stand nun dumm in der Gegend herum und forderte schließlich Helge auf, die wohl ebenfalls übrig ge-blieben war.

Aber ich gab natürlich meine Bemühungen, Inge näher kennenzulernen, nicht auf. Von meinen „detektivischen“ Ermittlungen will ich aber keine Einzelheiten erwähnen. Der krönende Abschluss der Tanzstunde war der „Abtanzball“. Eltern und Geschwister der Tanzschüler waren zahlreich erschienen. Ich absolvierte meine Pflichttänze mit Helge, um mich dann auf Inge zu stürzen! Schon beim ersten Tanz mit ihr fragte ich sie: „Fräulein Z., darf ich Sie am kommenden Donnerstag um 17:10 Uhr von der Schule KAV abholen?“ Ihr Mündchen stand sekundenlang sperrangelweit offen, formte dann aber das Wort „ja" - und so begann meine Freundschaft mit Inge. Ja, es blieb bei Freundschaft.

Es war Februar, als die Tanzstunde zu Ende ging. Ich brachte Inge nach Haus und nannte ihr sicherlich in dem längeren Gespräch auf dem Nachhauseweg auch mein Geburtsdatum, aber ihres hat sie mir einfach nicht genannt!
Wir trafen uns mehrmals. Der Januar des folgenden Jahres kam. Als wir uns am Vorabend meines Geburtstages an ihrer Haustür verabschiedeten, kam es spöttisch aus ihrem Mund: „Im Übrigen erlaube ich mir, morgen ebenfalls Geburtstag zu haben!“ Also das war der Grund ihres Schweigens. Sie war auf den Tag genau so alt wie ich!

Inge wohnte in einer Pension bei einer Arztwitwe. Inges Eltern wohnten außerhalb Stettins mit ungünstigen täglichen Verkehrsverbindungen. In dieser Pension wohnten noch mehrere junge Damen, auch die blonde Brigitte-Sabine. Ich hatte sie schon vor einiger Zeit kennen gelernt. Als ich einmal auf Inge wartete, schoss eine temperamentvolle Blondine zur Tür hinaus und stutzte bei meinem Anblick. Sie wollte Schuhcreme kaufen - und ich ging mit, weil Inge noch nicht fertig war.

Die Kriegsereignisse verstreuten uns in alle Welt. Als ich Jahre später in Lüneburg eine Dame in ihrem typischen Schiebegang die Straße über-queren sah, schoss es wie ein Blitz durch mich: es konnte nur I n g e sein! Tatsächlich. Wir konnten unsere alte Tanzstunden-Freundschaft fortsetzen und sogar mit ihrem Sohn und meiner Tochter ergänzen.

Und dann nahte der Höhepunkt der Tanzstunden-Folgen. Mein Privat-leben geriet aus den Fugen. Ich erzählte Inge von dem Durcheinander. Ihre Reaktion? „Geh' nur mal nach Hamburg in die ABC-Straße. Da hockt jemand und heult.“ Ich ging und traf Brigitte-Sabine, meine Schuhcreme-Dame!

Die allerletzte Folge? Wir heirateten.

 

Tanzstunde

von Edith Kollecker erstellt 16.09.20

Eine Tanzschule habe ich nie besucht. Das Tanzen haben mir meine älteren Geschwister sehr früh beigebracht. Mein Vater war Nachtwächter auf dem Gut in Streckenthin in Pommern. Jeden Sonnabend, wenn Papa mit unserem Hund Prinz um 10.00 Uhr abends das Haus verließ, um seinen Dienst anzutreten, traf sich bei uns die Dorfjugend, um zu tanzen oder sonstige Spiele zu machen.
Es ergab sich einfach so, vielleicht weil ich vier ältere Geschwister hatte, oder weil der Hausherr nicht anwesend war. Ihn brauchte man vor 4.00 Uhr morgens nicht erwarten. Jedenfalls durfte ich - damals 10 Jahre - am Anfang dabei sein. Mein Bruder, 3 Jahre älter als ich, hatte damit nichts am Hut, aber neugierig wie er war, lugte er manchmal durch den Türspalt.
Meine Schwestern konnten Mundharmonika spielen, ein Jüngling hatte eine Handharmonika, dann stand dem Tanzkursus nichts im Wege. Mein Lieblingstanz war, „Siehste woll, da kimmt er...“ Allerdings musste ich ins Bett, wenn es spannend wurde.
Dann war das mit einem Mal vorbei. Mein Vater und die jungen Männer mussten in den Krieg. Meine Schwester Lieschen bekam ein Baby und etwas später begann unsere Flucht.
Als der Krieg zu Ende war, fanden wir, meine Eltern und ich auf einem kleinen Gut in Niedersachsen wieder eine neue Heimat. Meine drei Schwestern waren in der Stadt in Stellung. Als der Hunger groß war, kamen sie aus der Stadt zu uns aufs Gut. Sie halfen bei der Kartoffelernte, nur um dafür Kartoffeln zu bekommen. Ich weiß nicht, wie sie es gemacht haben, eigentlich hätten sie halbtot sein müssen, wegen der schweren Arbeit, aber nein, alles was Blankenburg hieß, kam am Abend zusammen und es wurde getanzt, manchmal nur bei Kerzenlicht, weil der Strom abgestellt war.
Dann begann die Fortsetzung meiner Tanzstunde. Nun war ich auch etwas älter und die Musik war auch eine andere. Meine eine Schwester Tutti war in einer Gaststätte tätig, in der Besatzungssoldaten verkehrten. Die Amis hatten neuen Schwung reingebracht. Als ich einmal bei einem Schützenfest mit einem Jungen tanzen wollte, klappte es überhaupt nicht. Was war ich froh, als der Tanz zu Ende war.
Später aber konnte ich gut tanzen und tue es heute noch gerne.

 

Tanzschulenerlebnisse

von Bernd Schwiers erstellt am 17.11.2004

Die meisten meiner Mitschüler gingen bereits im Alter von 15 Jahren in die Tanzstunde. In meiner süddeutschen Heimatstadt gab es damals zwei Tanzschulen, die zwar mit-einander konkurrierten, aber eigentlich hatten sie jeweils ihre eigenen Kundenkreise in unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, so dass die Wahl, welche Tanzschule man besuchte, sich gar nicht erst stellte. Meine Eltern meinten, dass ich mit 15 Jahren noch zu jung für die Tanzstunde sei und deshalb noch ein Jahr warten sollte. Außerdem eröffnete mir mein Vater: „Wenn du in die Tanzstunde willst, dann brauchst du dazu einen Anzug! Wir können dir keinen kaufen, du musst dir das Geld dafür schon selbst verdienen!“ Nun, ich hatte mir in den Vorjahren durch Ferienarbeit bei einem Klempner bereits ein Fahrrad „erarbeitet“, also war mir Ferienarbeit nichts Neues. Im nächsten Jahr, das war 1957, arbeitete ich also in den Oster- und Sommerferien in einer Möbelfabrik und in einer Ledergroßhandlung, um mir einen Anzug kaufen zu können. Allerdings arbeitete ich nicht während der ganzen Sommerferien. Gegen Ende der Ferien fuhr ich noch für zwei Wochen mit einer Pfadfindergruppe ins Elsaß, wo wir einen deutschen Kriegsgräberfriedhof pflegten.
Zum Anzugkauf ging meine Mutter mit, außerdem wurde mir von dem Geld, das ich verdient hatte, ein weißes Hemd und zwei Krawatten (kosteten damals das Stück 2,- DMark) gekauft. Das Jackett des Anzuges musste noch etwas geändert werden. Die rechtzeitige Fertigstellung wurde uns zugesichert, aber am Tag der ersten Tanzstunde war das Jackett noch nicht da. Telefon hatten wir damals, wie die meisten, noch nicht. Glücklicherweise befand sich gerade gegenüber dem Haus ein Postamt und außerdem noch eine Telefonzelle im Straßenbahnwartehäuschen. Da lief ich hin und fragte bei dem „Herrenausstatter“ nach dem Jackett. Ja - das komme noch rechtzeitig, wurde mir versichert.
Die Tanzstunde sollte um acht Uhr beginnen. Das Jackett kam Viertel vor Acht bei uns an. Ich schlüpfte rein und der Botenfahrer nahm mich in seinem VW-Lieferwagen mit stadteinwärts. Er ließ mich an einer Kreuzung in der Nähe der Tanzschule aussteigen und sagte noch vorher: „Guck erscht nach hinne, bevor´d die Dür uffmachsch!“ Ja, sagte ich und machte die Tür auf und schon fuhr ein Radfahrer gegen die geöffnete Autotür. Glücklicherweise war nichts Schlimmes passiert, Fahrrad, Auto und Radfahrer blieben unbeschädigt, so dass ich meinen Weg fortsetzen konnte und gerade noch rechtzeitig zur Tanzschule kam.
Für diesen ersten Abend hätte ich gar keinen Anzug gebraucht. Der erste Abend war nämlich noch ohne Damen. Wir erhielten vom Inhaber der Tanzstunde an diesem ersten Abend Anstandsunterricht. Es wurde uns übrigens die Anschaffung weißer Handschuhe empfohlen.
In der Woche darauf war dann der erste Abend mit Damen. Die Tanzschule befand sich in einer Gründerzeit-Villa im Historismus-Stil. Alles war mit dunklem Holz vertäfelt. Wir wurden in den Saal geführt, d.h. wir marschierten dort ein und nahmen, wie uns geheißen, an der einen Saalwand gegenüber den Damen Aufstellung, die dort auf einer langen Bank saßen. Tanzlehrerin war die Ehefrau des Inhabers. Auf deren Aufforderung hin ging jeder auf die ihm gegenüberstehende Dame zu und forderte sie mit einer höflichen Verbeugung zum Tanz auf. Dann lernten wir die ersten Tanzschritte, ich glaube, das war „Marsch-Fox“. Nach jedem Tanz ging man eine Dame weiter. Wenn die Tanzstunde – eigentlich warne es zwei Stunden mit einer Pause dazwischen, in der man seine Dame mit Konversation unterhalten sollte – also wenn die Tanzstunde zu Ende war, stellten die Damen sich wieder an der einen Saalwand auf, die Herren auf der gegenüberliegenden und dann steuerte man auf die Dame zu, die man nach Hause begleiten wollte - und musste! Die Tanzschule legte Wert darauf, dass die Damen nach Hause begleitet wurden. Leider erwischte man nicht immer die Wunschdame.
Für den Abschlussball (hier im Norden heißt es ja Abtanzball) hatten wir einen Formationstanz, den Lambertz-Walk, eingeübt. Außerdem führte die Tanzlehrerin mit dem jüngeren Tanzlehrer, mit dem sie offenbar ein Verhältnis hatte, einen Charleston vor. Sie hatte dazu ein schönes Kleid aus den Zwanziger Jahren an, lang, eng, mit Fransen am Saum. Die meisten Tanzschüler waren mit Eltern erschienen, meine hatten jedoch eine Teilnahme abgelehnt.
Nach diesem Grundkurs belegte ich noch einen Fortgeschrittenenkurs, aber dann war Schluss, ich ging nur noch gelegentlich zu Veranstaltungen der Tanzschule.

Nachdem ich verheiratet war, wurden die inzwischen sehr verkümmerten Tanzkennt-nisse meist nur noch einmal im Jahr auf dem Betriebsausflug gebraucht. Viele Jahre später, 1984, ging der erste unserer Söhne zur Tanzstunde bei der Tanzschule Madeleine Beinhauer in Norderstedt. Diese Tanzschule hatte keine eigenen Räume, vielmehr fand der Unterricht im Sportzentrum Scharpenmoor in Garstedt statt. 1985 folgte ihm sein jüngerer Bruder und bei dessen Abtanzball sprach die Tanzlehrerin, Frau Beinhauer, die anwesenden Eltern an und empfahl ihre Tanzkurse für Erwachsene. So kam es, dass wir, Ellen, meine Frau und ich, am 15. Januar 1986 unsere erste gemeinsame Tanzstunde bei Frau Beinhauer hatten. Ich war damals schon 45 Jahre alt. Das Tanzen machte uns großen Spaß und wir durchliefen alle Kurse und wurden danach Mitglied in einem der Tanzkreise der Tanzschule, die sich inzwischen vergrößert hatte. Das Ehepaar Beinhauer hatte das Tanzmeisterpaar Werner und Ingrid Führer als Partner hinzugenommen und die Tanzschule hatte in Norderstedt am Harksheider Marktplatz eigene Unterrichtsräume in einem ehemaligen Supermarkt eingerichtet. Da wir ganz in der Nähe wohnen, konnten wir jetzt die Tanzschule immer zu Fuß erreichen. Wir lernten in den Tanzkreisen viele schöne Schrittfolgen. Leider konnte man die außerhalb der Tanzschule nie praktizieren, weil die Tanzflächen meist sehr klein sind. Wir aber brauchten für unsere großen Schrittfolgen Säle! Aber selbst bei den großen Bällen im CCH, wo es eine große Tanzfläche gab, war diese meistens so schnell gefüllt, dass an richtiges Tanzen, so wie wir es nun gelernt hatten, nicht zu denken war. Im Jahr 2000, nach 15 Jahren, mussten wir das Tanzen leider aus gesundheitlichen Gründen aufgeben.

 

Auf Schmusekurs

von Jürgen Hühnke erstellt am 07.05.2011

Wenn in den 1970er Jahren meine Quartanerinnen (Siebtklässler) ein Klassenfest feierten, kam - sie gehörten ja der BRAVO-Generation an - schon früh am Abend der Wunsch auf, eine Platte für einen Schmusetanz aufzulegen, zumeist von den Mädchen vorgetragen, die damals noch „Backfische" waren und keine „Teenies". Im Alter von 12, 13 Jahren sind nämlich die Milchbubis, bei denen gerade die Mitesser durch den frühen Flaum glänzen, ausgesprochen scheu im Hinblick auf die holde Weiblichkeit und mutieren erst viel später zu jenen Machos, die immer nur das Eine wollen.
Beim Aufkeimen seliger Gefühle gehen die Maiden voran, wollen den Geheimnissen des Lebens auf die Spur kommen, eben etwa mit einem Schmusetanz Einblicke in das Mysterium erotischer Tuchfühlung erhalten.
Mädchen der siebten Klasse verknallen sich zwar oder sind in jemanden verschossen, das eigentliche innige Verlieben setzt aber etwas später ein. Bei Backfischen von 13 oder 14 Lenzen konnte man als Lehrer schon einmal mitbekommen, wie die ganze Seligkeit und Unseligkeit erotischen Reifens so ein Mägdelein durch und durch ergriff, etwa wenn es auf Klassenreisen in der Jugendherberge zu Begegnungen mit fremden Gruppen kam. Dann saß schon einmal eine Iris oder Brigitte mit verweinten Augen während der Rückfahrt völlig geistesabwesend und tieftodtraurig im Bus.
Der besagte Schmusetanz war erstaunlich partnerbezogen, ganz anders als die gymnastischen Akrobatiken beim Boogie-Woogie und beim Rock'n'Roll der 1950er, bei denen die Mädchen geradezu fortgestoßen und wieder eingefangen wurden. Daraus hatte sich spätestens bei den bauchnabeifreien Lolitas der Spätsiebziger die Trennung vom Partner entwickelt, der sich jetzt als Solotänzer gerierte und dabei höchstens einen Rest von Balzverhalten zeigte.
Ansonsten wurde in den 1950er Jahren beim Tanz das Tempo verlangsamt, bekamen die Schlager Schmalz und Schmus stärker als zuvor. Der bis dahin in virtuosem Stakkato gespielte argentinische Tango war der etwas sanfteren mediterranen Variante gewichen, die 1945 mit den „Caprifischern" begann, gefolgt 1951 von „Florentinische Nächte" und 1952 von „Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein". Damals war auch die Zeit der „Beine von Dolores".
Dem schwungvollen Wiener Walzer folgte die Renaissance des English Waltz („Parlez moi d'amour"), dem Foxtrott der Slowfox („La-le-lu"), alles „Schmusetänze", um die Dame geruhsam und angeschmiegt über das Parkett zu schieben.
In den Siebzigerjahren wurde der „Musikantenstadel" geboren mit seinen trällernden und jodelnden Mutter-Tochter-, Geschwister- und Liebhaber-Geliebte Duos, mit einer Popmusik, geschwollen und gequollen wie Popcorn - also wiederum etwas zum Schmusen und Schwelgen. Okay, auch die Idole unserer Jugend, Elvis Presley und der gute Frankie-Boy, waren nicht frei davon, Schnulzen zu zelebrieren, doch sonst lebte jene Zeit vom Tempo und von der Tanzakrobatik im Catch-as-catch-can- Stil. Mit dem „Musikantenstadel" oder mit Carmen Nebel bleibt eher Kitsch-as-Kitsch-can.

 

Pub Relations

von Jürgen Hühnke erstellt am 30.03.2007

Das ist kein Dreckfuhler und könnte das bezeichnen, was, wie im Falle Harald Juhnke, eventuell von einer mit viel Public Relations aufgebauten und gestützten Karriere übrig bleibt oder sie gar abbaut: Verhältnisse zum Kneipenwesen. Die frühesten Pub Relations findet man etwa bei Tertianern, die eine Freistunde zu überbrücken haben. Über meine persönlichen Verhältnisse dieser Art legt die Geschichte Kunde ab:

Skat mit Conny

Gastwirt Conny S. führte mit seinem Bruder Willy ein traditionelles Landlokal, das, an einer Landstraße am Stadtrand belegen, früher einmal von durstigen und hungrigen Fuhrleuten gelebt haben mag. Inzwischen war die Straße von solchen Kapitänen frei und gähnte nicht weniger als die Wirtschaft. Da aber diese bei uns zu Hause um die Ecke lag, besuchte ich sie gelegentlich.
Conny gehörte zu den Gastwirten, die selbst ihre besten Konsumenten sind, und Willy bremste ihn auch nicht. Beide luden ihren Gast, wenn sie denn einen hatten, alsbald zu einer Runde Skat ein, um Geld natürlich. Da ließ sich der Schüler, der nur über ein kleines Taschengeld verfügte, selbstverständlich sofort überreden. Das machte sich bezahlt, da die beiden erbärmlich schlecht spielten. Nicht etwa, dass sie sich abgesprochen und gegen den dritten Mann zusammengehalten hätten, eine Idee, auf die sie gar nicht gekommen waren, nein, sie spielten so ernsthaft und verbissen wie schlecht. Vor allem Connys Spielsucht kannte keine Grenzen. Fast ständig überreizte er sein Blatt und überbot Kontra und Re noch mit Bock und Hirsch. Also kam ich immer zu meinem Freibier. Meinen Gewinn konnte ich nicht selten noch in einen Teller Bratkartoffeln mit Spiegelei anlegen. Das immerhin konnte Conny vortrefflich zubereiten. Von seinen Fähigkeiten als Koch hat aber erklärlicherweise außer mir später kaum jemand mehr profitieren können.

 

Dorfschwof

von Jürgen Hühnke erstellt 2007

Als ich fünfzehn oder sechzehn Jahre alt war, bildete ich zusammen mit einem Musikerehepaar, er Pianist, sie Geigerin, so etwas, was man bald darauf eine Band nennen wird, freilich eine Band ohne E-Gitarre und Percussion. Mein Instrument war das Akkordeon, das ich in seinem Kasten auf den Rücken schnallen und per Fahrrad transportieren konnte. Damals spielte man - es waren die Fünfzigerjahre meist schmalzigen Tango, Slowfox oder Englisch Waltz. Hatte man die Dorfkneipe erreicht, wurde man durch den Wirt erst einmal mit einem deftigen Bauernfrühstück gemästet, damit der Alkohol nicht auf einen unvorbereiteten Blutkreislauf stieß. Immerhin gab es von Anfang an etliches an Hochprozentigem. Eine Buddel Branntwein stand gleich auf dem Klavier, und mindestens zu jedem zweiten Tanz gab irgendein spendabler Bauer eine Runde für uns Musikanten aus. Das bedeutete auch, dass unsere Gemüter über das Normalmaß hinaus erhoben wurden und wir nachts so gegen zwei Uhr eine Fingerfertigkeit bekommen zu haben meinten, die aus uns Meistervirtuosen machte falls nicht der Alkohol unsere Hörfähigkeiten beeinträchtigte. Irgendwie bildeten wir Musiker einen Gegenpol zu unserem Publikum, das nämlich, je mehr die Nacht voranschritt, immer größere Ermüdungserscheinungen zeigte. Wer anfangs noch eine kesse Sohle aufs Parkett gelegt hatte, schwofte jetzt ziemlich träge daher und schob Partnerin oder Partner schmachtend und schmusend über den Tanzboden. Um vier oder fünf Uhr gab der Wirt noch einen Absacker aus, dann folgte dem Engagement der Alltag. Für mich hieß das: Mit dem Akkordeonkoffer auf dem Rücken nach Hause radeln - waschen - Frühstück - Schule. Der Montag war in der Regel der Tag, an dem meine Lehrer am wenigsten von mir hatten.