Unsere Erlebnisse

Erlebnisse auf dieser Seite

Weihnachten in der Kindheit von Ingrid von Husen
Starker Tobak von Jürgen Hühnke
Weihnachten immer ein Fest der Freude? von Annemarie Lemster
Erinnerung von Uwe Neveling
Der letzte Christstollen von Sigrid Gehrken
Weihnachten nach dem Krieg von Edith Kollecker
Mein erstes Weihnachtsfest nach dem Krieg von Edith Kollecker
Meine erste Christmette von Annemarie Lemster
Weihnachten auf Gut Kameke in Streckenthin von Edith Kollecker
Weihnachten 1943 von Ellen Probst
Ein Ruhepol von Uwe Neveling
Vorfreude von Uwe Neveling

 

Weihnachten in der Kindheit

von Ingrid von Husen erstellt 16.02.2013

Wenn ich an die Weihnachten in meiner Kindheit denke, teile ich sie in drei Kategorien ein. Vor und während des Krieges und danach.
Als ich ein kleines Mädchen war, war die Vorweihnachtszeit immer sehr aufregend für mich. Meine Mutter ging jedes Jahr mit mir ins Weihnachtsmärchen.
Außerdem richtete die Firma, in der sie tätig war, eine wunderschöne Feier für die Kinder der Beschäftigten aus. Erst wurde etwas vorgetragen, dann kam der Weihnachtsmann mit tollen Geschenken. Ich kann mich da noch gut an eine ganz entzückende Babypuppe in rosa erinnern. Ich war noch eine richtige Puppenmutter. Und was hatte ich für Herzklopfen, wenn wir Kinder einzeln auf die Bühne gerufen wurden, um ein Gedicht aufzusagen. Aber es musste wohl sein, denn ohne Gedicht gab es kein Geschenk.
Jedes Jahr hat meine Mutter meine sämtlichen Puppen neu eingekleidet, wozu sie lange am Abend noch an der Nähmaschine saß, während ich schon längst schlief. Die Puppenstube wurde neu tapeziert und die Möbel bekamen einen neuen Anstrich. Allein schon der Farbgeruch in der Wohnung versetzte mich in ein Gefühl glücklicher Erwartungen. Das eine und andere Teil kam neu hinzu. Ich fühlte mich immer reich beschenkt.
Am Morgen des ersten Feiertages war es für mich etwas Besonderes, in die „Gute Stube“ zu gehen. Opa war schon dabei, die Asche aus dem Kachelofen zu nehmen und ich konnte es gar nicht erwarten, mir meine Geschenke vom Vorabend anzusehen. Die „Gute Stube“, die nur an besonderen Tagen, wie jetzt auch zu Weihnachten, genutzt wurde, hatte für mich immer einen gewissen Zauber!

Aber dann, in den darauf folgenden Jahren gab es eine andere Art von Zauber: den Zauber am nächtlichen Himmel! Sie kamen auch an den Feiertagen angeflogen und warfen ihre Bomben ab. Der größte Wunsch der Menschen war der, wenigstens an Weihnachten nicht in den Luftschutzraum gehen zu müssen.
Meine Mutter tat alles, um das Fest glücklich zu gestalten. Ich bekam Dinge aus zweiter Hand, darunter Bücher, die sie über die Zeitung von privat kaufte oder auch gegen andere Dinge tauschte.

Da ich als Kind ein sehr schlechter Esser war, war es für mich nicht wichtig, was an den Feiertagen auf den Mittagstisch kam. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass sich meine Erinnerung da in Grenzen hält.

Die Weihnachten in der Nachkriegszeit waren zwar armselig, aber der mörderische Krieg mit seinen Bomben war vorbei. Es konnte nur noch bergauf gehen.
Im ersten Jahr nach dem Krieg bastelten wir unseren Baumschmuck selber. Mond und Sterne wurden aus Pappe ausgeschnitten und mit Stanniolpapier beklebt, ein Faden wurde angeklebt, um sie in den Baum hängen zu können. Sie glänzten sogar, trotz des schwachen Kerzenscheins. Hierzu muss man wissen, es gab pro Kind sechs Tannenbaumkerzen, die über drei Tage Glanz verbreiteten sollten. Wir hatten sogar Lametta im Baum, ganz fein geschnitten, auch aus besagtem Stanniolpapier, welches wir aus Zigarettenschachteln gesammelt und zu diesem Zweck aufbewahrt hatten.
Ich kann mich jetzt weniger an meine Weihnachtsgeschenke erinnern, als an die Dinge, die ich für meine Mutter organisierte.
Als ich im ersten Nachkriegsjahr eines Tages durch den Altonaer Bahnhof ging, schenkte mir so ganz im Vorbeigehen ein englischer Soldat eine Tafel Cadbury-Schokolade. In der damaligen Zeit für mich ein Traum! Das machte mir Mut, die Soldaten nach Zigaretten zu fragen. Ich nahm eine Freundin mit, wir schlenderten durch den Bahnhof und bettelten die „Tommis“ an. „For mother to Christmas!“ Fünf Stück hatten wir beide. Dummerweise legte ich meine Beute in eine leere Schachtel, die stark nach Seife duftete. Der Genuss der Zigaretten war dann wohl auch nicht so besonders.

Opa war eine Zeitlang „Optiker“ im Parkgebiet beim Bismarckdenkmal. Von dort brachte er mir einen Medizinball, den er gefunden hatte, mit nach Hause. Ich habe das Ding gewienert, bis das Leder glänzte, bin damit in eine Tauschzentrale gegangen, um den Ball gegen drei Kaffeegedecke (Sammeltassen) einzutauschen. Der Ball wurde ins Schaufenster gelegt und nur kurze Zeit später hatte ich meine Tassen und somit ein Weihnachtsgeschenk für meine Mutter. Heiligabend bin ich fast geplatzt vor Stolz, als ich die Freude meiner Mutter sah. Wie es so bei Sammeltassen ist, sie waren sehr unterschiedlich, aber ich könnte noch heute alle drei Muster und die jeweiligen Farben beschreiben.

Dank Opas Hilfe bestand unser ärmlicher Haushalt überwiegend aus Dingen, die er aus dem Hafenkrankenhaus „organisierte“ So auch unser ganzes Küchengeschirr. Aber leider immer mit dem Emblem des Krankenhauses.

Oft, wenn ich heute in der Adventszeit durch die Einkaufszentren bummele, wandern meine Gedanken zurück in die Vergangenheit, zur damaligen Armut.
Und heute! Was für ein Konsum! Was für ein Überfluss!
Und ich glaube nicht, dass ich damals weniger glücklich war, als die Kinder von heute.

 

Starker Tobak

von Jürgen Hühnke verfasst am 29.10.2012

Weihnachtsfeiern veranstaltet man überall, in Vereinen, Betrieben, Parteien, Büros oder auch in Verwaltungen. Und selbstverständlich darf bei einem zünftigen Julfest der gute Nikolaus nicht fehlen, eine Person, die wie ein Entführer die Stimme drohend verstellt, ihr aber gleichwohl ein väterlich-gütiges Timbre verleiht.
Da stand nun für die Rathaus-Mitarbeiter eine solche Festivität an. Der Bürgermeister bat mich, dem er aus unerfindlichen Gründen die Dignität des beliebten Heiligen zutraute, diese Rolle zu übernehmen. Das schien mir insofern stimmig zu sein, als ich damals die Funktion eines Stadtvertreters, eines Mitglieds im Verkehrs- wie auch im Finanzausschuss, zeitweilig im Magistrat, und vor allem die des Bildungs- und Kulturausschussvorsitzenden innehatte - zweifelsohne gehören Nikoläuse zum abendländischen Kulturerbe. Mein öffentliches Tun - und darin lag die noch größere Stimmigkeit für einen ehrenamtlich-ehrenvollen Auftritt als Nikolaus - machte mich quasi zu einem Mitglied der „Firma" beziehungsweise der Familie, aus der gemeinhin diese Figur generiert wird. Er ist nun einmal ein Fabelwesen mit profundem Insiderwissen über die Leute, die er auf-, be- oder heimsucht.
„Gut", sagte ich also, „doch sehe ich da noch ein Problem: Eine Haselrute kann ich mir draußen im Wald schneiden, einen Kartoffelsack kann ich auch auftreiben, aber das bisschen Sauerkraut um den Mund herum reicht nicht für einen Rauschebart - ich brauche eine Maske!" (- auch wenn mich manche für eine solche halten oder wenn andere in mir sowieso schon einen Weihnachtsmann sehen.) Das aber half mir nicht, denn der Büroleitende hatte das passende Stück parat, noch vom Vorjahr. Außerdem fand sich im Fundus des Rathauses, tief im Keller, ebenfalls von der Vermummung der Vorjahre her, eine aus der Cola-Werbung bekannte rote Gewandung, die mein Outfit krönen sollte.
Eher out als fit, könnte man aber von der Maske sagen. Sowie nämlich ihr angegilbter Bart meine zarten Lippen tangierte, sank meine Weihnachtsstimmung auf Null. Da der Oberamtsrat nun einmal ein passionierter Pfeifenraucher war, vergällte mir ein fader Geschmack von ehedem würzigem, im kalten Rauch konserviertem Latakia mein Hohoho-Gebrabbel.
Schon Jahre zuvor hatte mich ein Infarkt bewogen, das Qualmen ganz einzustellen, und jetzt erst wurde mir so recht bewusst, dass Raucher Verbrecher an ihrer Mitwelt sind. Aber solange noch nicht alle „Oh, du fröhliche" gesungen oder es doch leidlich versucht hatten, musste ich die missliche Lage erdulden. Schließlich ist ja Weihnachten das Fest der Liebe - beim Barte des heiligen Nikolaus von Myra!

 

Weihnachten immer ein Fest der Freude?

von Annemarie Lemster erstellt im Oktober 2003

In der ersten Zeit nach dem Krieg fiel das Weihnachtsfest längst nicht so üppig aus wie heute. Es fehlte an allem, und doch verstanden es die Menschen, Feiertage so zu gestalten, dass sie für ein paar Tage zufrieden und glücklich waren.

So wurde auch damals vor dem Weihnachtsfest gebastelt, gebacken, gekocht, gestrickt, und viele Heimlichkeiten gab es auch. Kinder warteten genau so sehnsüchtig auf den Weihnachtsmann wie heute. Mit den heutige Heimlichkeiten hatte es nur geringe Ähnlichkeit. Alles, was auch nur im entferntesten mit Essen zu tun hatte, musste sehr lange im Voraus geplant werden. So wurde schon im Herbst Mehl für die Weihnachtsbäckerei aufgehoben. Die hatte man gegen die selbst gestoppelten und selbst gedroschenen Ähren eingetauscht. Zucker hatte der eine oder andere durch Tausch eines silbernen Löffels oder einer schönen Tischdecke erworben. Wer noch ein paar Marken für Haferflocken hatte und noch etwas Kakao besaß, machte daraus köstliche Hafermakronen. Fast jeder hatte Hühner und so auch Eier. Mit einem winzigen Stück Fett oder etwas Öl backten die sehr erfinderischen Hausfrauen Berge von Keksen. Wenn der Duft der Plätzchen die engen Zimmer durchzog, freuten sich alle auf Weihnachten.

Die Weihnachtsgans kam meistens aus einem kleinen eigenen Stall. Gemüse und Kartoffeln lieferte der eigene Garten im Straßengraben. Lange vor dem Fest bastelten die Kinder den Schmuck für den Weihnachtsbaum. Aus alten Zeitungen oder gebrauchten braunen Spitztüten schnitten Kinder schmale Streifen Papier und machten lange Girlanden daraus. Ein Streifen wurde zu einem Ring geklebt, in diesen kam ein nächster Streifen, der wiederum zu einem Ring geklebt wurde und so entstand eine lange Girlande für den Weihnachtsbaum. Als Klebematerial diente damals Wasser und Mehl. Aus Stroh und ein paar Wollresten machten erwartungsvolle Kinder die schönsten Sterne. Mütter strickten aus kratzendem Sackgarn Pullover, Jacken und Strümpfe. Mit viel Liebe wurde aus alten gefärbten Militärwolldecken Wintermäntel genäht. Für die Kinder, die damals genau wie heute dem Weihnachtsfest entgegen fieberten, nähten Mütter aus Lumpen schöne Puppen. So mancher Vater stieß an seine Grenzen, wenn er für seinen Sohn einen kleinen Bauernhof aus alten Holzresten schnitzen wollte.

In den Stromsperrstunden der Vorweihnachtszeit waren die Großmütter mit ihrem unerschöpflichen Märchenvorräten sehr gefragt. Man kuschelte sich eng aneinander, dieses war nicht nur so vertraut, nein, es wärmte auch noch wunderbar. Im Ofen wurden köstliche Bratäpfel gebacken, der Duft war schon fast wie Weihnachten. Am Heiligabend strahlten die Kinderaugen nicht weniger beim Anblick von 3-4 Kerzen an einem Weihnachtsbaum, als heute, wenn uns 200-300 kleine Lichter aus dem übervoll geputzten Baum entgegen leuchten. Wer diesen Abend mit Kartoffelsalat und Würstchen und Weihnachten mit Gans und Rotkohl feiern konnte, fühlte sich wie die Könige von England. Wenn dann die Kinderaugen über die oft sehr dürftigen Geschenke strahlten, waren Mutter und Vater zufrieden.

Für ein paar Stunden vergaß man, dass im Keller nur noch wenige Kohlen lagen und der Torf zum Heizen viel zu nass war, und dass Vaters Hemdkragen schon ein zweites Mal gewendet war und für Mutter immer noch keine Schuhe zu bekommen waren.
Es war Weihnachten, und wer das Glück hatte, mit allen Familienangehörigen in der eigenen Heimat zu feiern, der war ein großer Glückspilz.

Ich stelle nun die Frage: War das Kind mit der Lumpenpuppe weniger zufrieden, als das Kind von heute mit Mountainbike und Computer unter dem Weihnachtsbaum? Sind wir Erwachsenen heute zufriedener, wenn wir am Weihnachtsmorgen statt Rübensirup, Lachs auf dem Frühstückstisch haben? Vielleicht sind wir heute dankbarer, aber das mit der Zufriedenheit möchte ich doch anzweifeln.

Ob wir nun 1945-48 oder das Jahr 2003 schreiben, Weihnachten wird immer ein Fest der Freude sein.

 

Erinnerung

von Uwe Neveling

Maria drängte ihren Mann:
„Schaff´ uns einen Esel an,
mit dem wir flugs von dannen ziehen.
Lass uns nach Ägypten fliehen“.

Joseph jedoch blieb gelassen:
„Das könnte den Verfolgern passen,
dass wir vor ihnen flüchten;
sie glauben doch nur den Gerüchten,
der Kleine wär´ ein Dissident,
vom Herrscher gar ein Konkurrent.
Lass uns noch 14 Tage warten,
dann können wir in den Süden starten.
Der helle Stern am Himmelstuch
geleitet wichtigen Besuch
in unseren Felsenstall.
Ich höre schon den Peitschenknall.
Ich glaub, sie kommen gar zu dritt,
man traf sich beim Kamelausritt“.

Maria sah ihn freundlich an.
Er war ein kluger Ehemann.
Obwohl das Ewigkeitssymbol
gesucht wurde von Interpol,
tat Joseph zunächst babysitten
und um Gastgeschenke bitten.
Die gab er dann dem kleinen Wicht,
er selbst benötigte sie nicht.

Weihnachtszeit ist Kinderzeit,
sie wird zu schnell Vergangenheit
und ist in unserer Rückwärtsschau
Erinnerung in kobaltblau.

 

Der letzte Christstollen

von Sigrid Gehrken

Dresden, Dezember 1944.
Jedes Jahr, Anfang Dezember, war Christstollenbacken angesagt. „Morgen will ich Stollen backen“, sagte Mutter zu uns. Sämtliche Zutaten hatte sie schon vorher besorgt. In einer groooßen Schüssel, oder war es gar eine Wanne, wurde der Teig zubereitet. Mein Bruder, der älteste von uns Kindern, durfte die Schüssel festhalten. Es war eine schweißtreibende Arbeit, vorwiegend für Mutter, denn Stollenteig, ist bekanntlich ein schwerer Teig.

Die fertigen Stollen kamen, nachdem sie mit mehreren Schichten zerlassener Butter und Puderzucker bestrichen und bestreut waren, in dafür bestimmte Dosen. Mutter meinte immer, etwas abgelagert schmecken Stollen besser, da erst mit der Zeit der Teig richtig durchzieht. Und das war auch der Grund für den relativ frühen Backtermin. Der erste Stollen wurde demzufolge auch erst Weihnachten angeschnitten. Im Laufe der folgenden Wochen ließen wir uns einen Stollen nach dem anderen schmecken. Immer mit Genuss und großen Appetit. Einen Stollen jedoch hielt Mutter eisern zurück, immer in der Hoffnung, dass Vater vielleicht auf Fronturlaub kommen könnte.

Als jedoch der Januar 1945 vorbei war und auch der Februar fast zur Hälfte, beschloss Mutter, den letzten Stollen zum Damenkränzchen, das am 13. Februar abends bei uns stattfinden sollte, zu spendieren. Dazu kam es dann leider nicht mehr, denn an diesem Abend, in der darauffolgenden Nacht sowie am nächsten Tag wurde Dresden durch die Luftangriffe der Alliierten in Schutt und Asche gelegt.

Auch Mutters letzter Stollen wurde ein Opfer der Flammen.

 

Weihnachten nach dem Krieg

von Edith Kollecker

Mein Vater hatte schon den Tannenbaum in den Fuß gesteckt, ihn in die Stube gestellt, das Vertiko noch etwas verrückt, damit er auch von allen Seiten gut zu sehen war, das war dann sein Beitrag zum Weihnachtsfest.
Meine Mutter hatte alles unter Kontrolle. Sie rannte den ganzen Tag rein und raus aus unserer guten Stube, um es uns so schön wie möglich zu machen. Sie schmückte den Tannenbaum ganz alleine, mit ein paar Kugeln, Zuckerkringel und vielen Plätzchen, die vor dem Backen schon mit kleinen Löchern versehen wurden. Später beim Abschmücken des Tannenbaumes durften wir natürlich helfen, es waren aber nicht mehr viele Kringel daran.
Der Schweinebraten war schon einen Tag vorher im großen Backhaus gebacken worden. Meine eine Schwester Gerdi machte eine schöne Buttercremetorte. Sie haute uns dann schon mal auf die Hand, wenn mein Bruder und ich die Finger in den Teig steckten, um ihn schnell abzulecken. Nie hat mir eine Torte in den späteren Jahren so gut geschmeckt, wie die meiner Schwester.
Nachdem alle in der großen Zinkwanne gebadet waren - jeder musste mindestens einem anderen den Rücken schrubben - und wenn dann jeder fein angezogen war, begann unser Weihnachtsfest. Es gab zwar nicht viele Geschenke, aber wenigstens an einen Weihnachtsmann kann ich mich noch erinnern. Ich bin heute noch meiner Mutter dankbar, die für jeden eine Überraschung hatte und uns gelehrt hat, dass man auch ohne viele Geschenke ein schönes Weihnachtsfest gestalten kann.
Ich denke gerne an diese Zeit zurück.
erstellt am 4. Juni 2006

Anmerkung
Diese Geschichte ist eine Auskopplung aus der etwas ausführlicheren Geschichte mit dem Titel „Weihnachten auf Gut von Kameke in Streckenthin“. Die Autorin schildert dort ihre Erlebnisse während der Vorweihnachtszeit 1944, also eindeutig noch
im Kriege – in der alten Heimat.
Diese Auskopplung erhielt später den Titel „Bei uns zu Weihnachten“ mit dem Untertitel „So war es
nach dem Krieg“ ist aber so nicht veröffentlicht worden, wird deshalb auch nicht -ausgekoppelt- im Internet erscheinen. Fritz Schukat, 24.05.2011



 

Mein erstes Weihnachtsfest nach dem Krieg

von Edith Kollecker

Nach 5 wöchiger Reise kam unser Treck am 4. April 1945 in Kartzfehn, einem kleinen Gut im Oldenburger Land an. Es war schon ein gutes Gefühl, mal eine Suppe mit Kartoffeln und Fleisch essen zu können. Am Nachmittag wurden wir dann auf umliegende Bauernhöfe verteilt. Die Bauernfamilie, bei der ich abgeliefert wurde, bestand aus dem Bauer, seiner Frau, seiner Tochter und seiner Mutter.
Die Tochter wurde an diesem Tage 18 Jahre alt. Dieses wurde mit einem Holschkenball auf der Diele gefeiert. Für mich ein schöner Einstieg in die Familie. Die Oma war zwar schon alt, hatte aber das Zepter noch nicht abgegeben. Sie war morgens die Erste in der Küche, während der Rest der Familie schon im Stall arbeitete. Auch das Mittagessen wurde von ihr zubereitet. Alles andere mussten wir machen, zum Beispiel abwaschen und die Küche säubern.
Die Familie hat mich aber gut aufgenommen, jedenfalls haben sie mir nicht gezeigt, dass ich ihnen ungelegen kam. Ich durfte im Zimmer bei der Tochter schlafen, in einem Verschlag auf dem Heuboden, oberhalb der Diele. Der Raum sah von innen recht nett aus, ich fühlte mich dort gleich wohl. Allerdings hatte ich immer Angst, im Dunkeln alleine hochzugehen, es war alles sehr spärlich beleuchtet.
Meine Liebe galt dem Hund Bello, mit ihm hatte ich mich gleich angefreundet. Mir ging es ganz gut. Hatte kleine Aufgaben zu erledigen, durfte meine Mutter, so oft es ging, besuchen, sie war 2 Kilometer entfernt, bei einer anderen Familie untergekommen. Die Frau des Bauern, zu der ich Tante Wilms sagte, war eine gutmütige Frau. Sie hat mir oft heimlich etwas Süßes zugesteckt. Mal hatte sie ein Ei mit Zucker verschlagen, mal Butter und Zucker verknetet. Es gab dort jeden Tag nur Suppen mit fettem Speck, beim Ansehen war mir der Appetit schon vergangen, das wusste sie.
Sonntags hatten wir auch mal einen Braten und Pudding. Als dann das Weihnachtsfest nahte, schmolz sie Butter und Zucker und machte Bonbons, während Oma schlief. Am Nachmittag des Heiligen Abends durfte ich meine Mutter besuchen. Da dort kleine Kinder waren, wurde die Bescherung sehr früh gemacht. An Geschenke kann ich mich nicht erinnern, aber an Eierkuchen, die meine Mutter für mich vom Mittag aufbewahrt hatte. Sie wusste ja, dass ich nicht gerne Erbsen- oder Bohnensuppe esse.
Dann lief ich zurück zu meiner Bauernfamilie. Dort sah es noch nicht nach Weihnachten aus. Oma brutzelte Bratkartoffeln und die anderen waren noch im Stall. Aber dann war es endlich soweit. Es ging in die gute Stube, die ich bisher noch nicht betreten hatte. Es war zwar ein Tannenbaum da, sonst wurde aber nicht viel Federlesens gemacht! Wir haben nicht mal gesungen, so wie ich es von zu Hause her kannte. Tante Wilms hatte sich aber große Mühe gemacht. Sie hatte heimlich mit Butter und Eiern für jedem ein Geschenk eingetauscht. Ich bekam sogar eine Puppe, mit der ich mich ziemlich schnell in mein Zimmer zurück zog.
gespeichert 04.10. 2009

Im Internet liest man über das Moorgut Kartzfehn:
Auf dem Moorgut Kartzfehn in Bösel begann die Inhaberfamilie 1957 mit der Putenaufzucht. Der Betrieb gehört jetzt, nach mehr als 50 Jahren, zu den größten seiner Art in der Bundesrepublik.
FSch.

 

Meine erste Christmette

von Annemarie Lemster

Vielleicht war es doch nicht meine erste Christmette, aber es ist die erste, an die ich eine starke Erinnerung habe. Es war Heiligabend, draußen lag eine dicke Schneedecke und es war sehr kalt. Der Morgen dieses für mich so spannenden Tages wollte gar kein Ende nehmen. Mutti hatte mir gesagt, wenn du heute Nachmittag lieb schläfst, darfst du heute Abend mit zur Christmette. Es konnte gar nicht schnell genug Nachmittag werden, damit ich ins Bett kam. Was war ich schon groß, dass ich mit den Erwachsenen um 12:00 Uhr nachts zur Kirche durfte. Ich schlief, und um 11:00 Uhr machte man sich für den Kirchgang fertig. Gut eingemummelt ging es los. Mutti fasste mich an die Hand, damit ich nicht fallen sollte. Es war draußen sehr glatt und bis zur Kirche waren es etwa 2 km. Kurz vor den Kirchenstufen erwischte es mich dann doch, ich rutschte aus und zog auch Mutti noch mit. Da lagen wir nun vor den Kirchenstufen. Ich heulte schrecklich. Es half nichts. Wir standen auf und betraten das Gotteshaus. Aller Schmerz war verflogen, so beeindruckt war ich. Es war sehr dunkel in der Kirche, nur schemenhaft konnte ich am Altar die hohen Tannen stehen sehen. Nach einer Weile erklang ein leises Glöckchen, es wurde etwas heller und der Pastor betrat mit den Messdienern den Altarraum. Die Messe fing an. An einer bestimmten Stelle (an die ich mich leider nicht mehr erinnere), jubelte die Orgel laut auf. Das Kirchenschiff war plötzlich ganz hell und an den großen Tannenbäumen, die um den Altar standen, leuchteten viele Kerzen auf. Meine Augen schauten überall hin, es war so schön. Mutti ermahnte mich, ich solle still sitzen. Es fiel mir sehr schwer. Wie schön die Leute alle sangen, ich hatte das Gefühl, alle Menschen lachen leise, die Augen glänzten so. Dann kam etwas, was ich bis heute nie vergessen habe, und immer wieder bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich das Lied höre. Oben vom Chor erklang „Herbei, oh ihr Gläubigen….“, gesungen von Menne Heitmüller, einem Jugendlichen aus der Gemeinde (heute Pastor des Schützenausmarsches in Hannover). Oh, wie war das schön. Dann wurde es in der Kirche immer dunkler bis nur noch die Lichter an den Tannenbäumen und der Krippe brannten. Die Leute standen auf und alle sangen „Stille Nacht, heilige Nacht“. Mutti ging dann noch mit mir zur Krippe. An den Weg nach Haus habe ich keine Erinnerung mehr.
Ich werde aber immer diese schönen Augenblicke dieser ersten Christmette in mir aufbewahren.
erstellt am 28.10.2006

 

Weihnachten auf Gut Kameke in Streckenthin

von Edith Kollecker.

Ende November merkten wir schon, dass Weihnachten nahte. Alle Kinder auf dem Gut wurden ins neue Schloss eingeladen, um ein Weihnachtsmärchen einzustudieren. Jedes Kind bekam eine Rolle. Damit sich niemand benachteiligt fühlte, wurden Engel, Sterne und Schneeflocken daraus. Es war extra eine Schneiderin anwesend, um die nötige Garderobe anzufertigen. So marschierten wir jede Woche ein Mal zum Schloss, um zu proben. Meine älteren Geschwister gingen ein Mal in der Woche dort hin, um Weihnachtslieder einzustudieren.
Die Zeit verging, der Winter hielt Einzug. Auf dem Gut waren Leute dabei, Tannenbäume zu fällen. Jede Familie bekam dann einen Baum vor die Tür geworfen. Man brauchte sich keinen Baum auszusuchen, denn alle sahen gleich gut aus, groß und schlank. Meine Mutter überschlug sich fast bei dem vielen Plätzchen backen. Manchmal durften wir auch beim Ausstechen der Engel und Tannenbäume helfen, da wanderte schon vor dem Backen ein Engel aus Teig in den Mund. Bei einem 9-Personen-Haushalt nahm es kein Ende. Die meisten Plätzchen wurden aber bis Weihnachten unter Verschluss gehalten.
Das letzte Weihnachtsfest - 1944 - war für mich etwas Besonderes, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Meine Freundin und ich sollten als Engel einen Schlitten ziehen, auf dem das Christkind sitzen würde. Im Vorfeld klappte es auch gut, obwohl ich meine Freundin mit ihren langen dunklen, gewellten Haaren beneidete. Ich mit meinen kurzen, blonden, mit Hahnenkamm gekämmten Haaren, kam mir wie Aschenputtel vor. Am Sonntag vor Heilig-Abend war dann die Aufführung. Die war dann im alten Schloss, im Souterrain. Es waren nicht nur alle Streckenthiner anwesend, auch vom Nachbargut waren alle eingeladen. So lange ich denken kann, lag immer zu Weihnachten Schnee, und so kamen alle mit Pferdeschlitten. An beiden Seiten vom Schlitten waren Karbidlampen und am Halfter der Pferden hatte man Glöckchen befestigt. Im Hof standen dann die Schlitten mit den Pferden davor, in Reih und Glied, es sah sehr festlich aus.
Zuerst kam das Krippenspiel mit Maria, Josef und dem Jesuskind. Mein Bruder Heinz war ein Hirte, und wir guckten aus dem Hintergrund zu, aufgeregt, um ja nicht unseren Auftritt zu verpassen. Mein Haar hatten sie auch gut zurecht gemacht, mit Engelshaar und Heiligenschein. So gingen Ursel und ich unter Glockengeläut und leisem Singen im Hintergrund auf die Bühne. Nicht so schnell, damit die Pakete nicht runterfallen, die das Christkind nachher an die Kleinsten verteilen sollte.
Alles einstudiert, 10-Mal schon gemacht! Diesmal kam es aber anders. Ob wir nun zu schnell waren oder ob die kleinen Wattebäuschchen, die als Schnee auf dem Boden lagen, sich in den kleinen Rädern, die unter dem Schlitten befestigt waren, verfangen hatten, jedenfalls, bevor die Helfer herbeieilten und „halt“ riefen, hatten wir den Schlitten mit samt dem Christkind und Paketen umgekippt. Alles wurde wieder aufgeladen und wir drehten noch zwei Runden auf der Bühne an Maria und Josef vorbei, die noch immer an der Krippe standen und sicherlich gelacht haben.
Wir hatten das alles gar nicht so mitbekommen, zu sehr waren wir damit beschäftigt, was anschließend kam. Im Raum nebenan waren lange Tische aufgebaut. Jeder bekam einen bunten Teller, ein Spielzeug und ein Kleidungsstück. An jedem Teller war der Name, wir wurden aufgerufen und gingen anschließend mit unseren Geschenken glücklich nach Hause.
Dort hatte sich in letzten Stunden auch vieles verändert.

Weihnachten bei uns zuhaus
Mein Vater hatte schon den Tannenbaum in den Fuß gesteckt, ihn in die Stube gestellt, das Vertiko noch etwas verrückt, damit er auch von allen Seiten gut zu sehen war, das war dann sein Beitrag zum Weihnachtsfest.
Meine Mutter hatte alles unter Kontrolle. Sie rannte den ganzen Tag rein und raus aus unserer guten Stube, um es uns so schön wie möglich zu machen. Sie schmückte den Tannenbaum ganz alleine, mit ein paar Kugeln, Zuckerkringel und vielen Plätzchen, die vor dem Backen schon mit kleinen Löchern versehen wurden. Später beim Abschmücken des Tannenbaumes durften wir natürlich helfen, es waren dann aber nicht mehr viele Kringel daran.
Der Schweinebraten war schon einen Tag vorher im großen Backhaus gebacken worden. Meine eine Schwester Gerdi machte eine schöne Buttercremetorte. Sie haute uns dann schon mal auf die Hand, wenn mein Bruder und ich einen Finger in den Teig steckten, um ihn schnell abzulecken. Nie hat mir eine Torte in den späteren Jahren so gut geschmeckt, wie die meiner Schwester.
Nachdem alle in der großen Zinkwanne gebadet waren - jeder musste mindestens einem anderen den Rücken schrubben - und wenn dann jeder fein angezogen war, begann unser Weihnachtsfest. Es gab zwar nicht viele Geschenke, aber wenigstens an einen Weihnachtsmann kann ich mich noch erinnern. Ich bin heute noch meiner Mutter dankbar, die für jeden eine Überraschung hatte und uns gelehrt hat, dass man auch ohne viele Geschenke ein schönes Weihnachtsfest gestalten kann.
Ich denke gerne an diese Zeit zurück.
gespeichert am 04.06.2004

 

Weihnachten 1943

von Ellen Probst

Wegen der ständigen Bombenangriffe auf Kiel lebten wir mit zwei anderen Familien, Verwandten aus Hamburg, bei unseren Großeltern auf dem Lande. Im Hause war man mit den Vorbereitungen für Weihnachten beschäftigt. Es wurde fleißig gebacken und gebrutzelt. Der Festtagsbraten war für uns kein Problem, denn Opa war nicht nur Landwirt sondern auch Hausschlachter und Jäger. Wald gehörte zum Besitz. Er war übrigens der einzige Mann auf dem Hof. Ihm zur Seite stand Dragolup, ein serbischer Kriegsgefangener. Er bekam zu Weihnachten ein Care-Paket und schenkte uns die Schokolade, wobei er sicher an seine 3 Kinder zu Hause dachte, die genau so alt waren, wie wir. Für ihn hatte Oma Wollstrümpfe gestrickt.
Jedes Jahr am Nachmittag vom Heiligabend ging Tante Irene mit uns Kindern in den 4 km entfernten Nachbarort in die Kirche. Diesmal war diesiges, feuchtes, ungemütliches Wetter. Wir haben uns trotzdem auf den Weg gemacht und den Weihnachtsgottesdienst erlebt, der immer sehr feierlich mit einem Krippenspiel und Weihnachtsliedern gestaltet wurde. Als wir die Kirche verließen, trauten wir unseren Augen kaum: Es hatte inzwischen geschneit. Das passte so richtig zu unserer Weihnachtsstimmung. Herrlich, so durch den weichen Schnee zu stapfen. Wir strebten erwartungsfroh nach Hause. Es wartete sicher schon der gedeckte Tisch auf uns. Gegessen wurde vor der Bescherung.
Ist es ein Wunder, dass wir Kinder vor Aufregung kaum etwas zu uns nehmen konnten? Erst als die Küche geputzt war, kam der große Moment.
Nun erklang ein sanfter Ton aus einem Horn, und die Tür zum Weihnachtszimmer wurde geöffnet. Da stand er nun, der Tannenbaum, mit brennenden Kerzen und herrlich geschmückt. Er war so schön, dass ich weinen musste. (Das ging mir noch viele Jahre so.)
Wir Kinder sagten unsere Gedichte auf, es wurden die alten, liebenswerten Weihnachtslieder gesungen, und dann durften wir endlich unsere Geschenke auspacken. Einer nach dem anderen, für jeden war etwas dabei. Meine kleine Schwester hatte eine niedliche Babypuppe bekommen und freute sich sehr. Jetzt war ich an der Reihe. Mein Paket fühlte sich auch so an, als wäre eine Puppe darin, und es war tatsächlich so. Aber, oh je, wie sah die denn aus? Sie hatte einen Stoffkörper, einen Porzellankopf und Porzellanarme und -beine mit Gelenken. Ich habe mich richtig erschrocken und mochte sie überhaupt nicht leiden. Ich hatte sehr mit mir zu kämpfen, es niemand merken zu lassen. Mutti hatte bestimmt alles versucht, um für jeden von uns ein Geschenk zu finden. Schließlich muss es ihr irgendwie gelungen sein, diese beiden Puppen auf dem Tauschwege zu erhalten. Ja, es war ja auch richtig, dass Margot die süße Babypuppe bekam. Sie war ja auch noch so klein, 6 Jahre jünger als ich.
Eigentlich bin ich doch schon zu groß für eine Puppe. Das wusste ich alles und versuchte krampfhaft, es zu verstehen. Ich zwang mich, mit ihr zu spielen. Es endete so, dass ich der sonderbaren Puppe einen Schlafanzug anzog und sie ins Bett steckte. Sie musste schlafen - ich brauchte sie erst einmal nicht wieder anzufassen. Bis heutige denke ich zu Weihnachten an meine „Kalischenpopp". Sie ist für mich Erinnerung an Weihnachten im Kriege, wo es so manches „Überraschungsgeschenk“ gab.
erstellt am 03.10.2005

 

Ein Ruhepol

von Uwe Neveling

Es hatte kräftig geschneit. Die Zweige der Nadelbäume konnten die Schneelast kaum noch tragen. Die Last drückte die Zweige tief nach unten. An den kürzeren Zweigen und an den Baumspitzen hatten sich Schneehauben gebildet. Bäume und Untergrund verschmolzen zu einer weißen Einheit. Aus der Ferne sahen die Bäume wie Schneemenschen aus.

Es war ruhig im Tannenwald. Vor mir lag unberührter Schnee. Ein Schritt und der Schnee wurde unter meinen Füßen zusammengepresst. Das Gleiche geschah mit dem Luftpolster unter der Schneedecke. Der Schnee atmete aus und gab knirschende Geräusche von sich. In der Ferne hörte man Kirchenglocken. Sonst war es ruhig, angenehm ruhig. Vom Hauptweg gingen Nebenwege ab, die hinter dem Schneehorizont verschwanden.

Die ersten Häuser des kleinen Ortes konnte man schon erahnen. Gelegentlich sah man flackernde Lichter in den Fenstern. Es waren die brennenden Kerzen am Weihnachtsbaum, die – so seltsam es klingen mag – die heimelige Atmosphäre des Waldes verstärkten. Zwischen den Bäumen konnte man den Sternenhimmel sehen. Es war wolkenlos. Die fernen Lichtquellen tauchten den Wald in ein erhabenes Licht, das vom Schnee reflektiert und verstärkt wurde.

Ob drinnen oder draußen, Heiligabend ist immer dann schön, wenn es ruhig und friedlich zugeht. Lärm und Hektik gehören auch zu den so genannten Festtagen; der Heilige Abend sollte jedoch ein Ruhepol im Dezember sein.

erstellt am 05.09.2010

 

Vorfreude

Ein Care-Paket auspacken war für die Menschen im Nachkriegs-Deutschland sowieso wie Weihnachten. Anfangs sagten wir übrigens alle „Karree-Paket“!
von Uwe Neveling

Sie liefen die dunkle Straße hinunter. Sie waren zu zweit und zogen einen Schlitten hinter sich her. Es war bitterkalt. Ihre Atemluft gefror sofort und verwandelte ihren Atem in weißen Wasserdampf. Der dünne Kleidungsstoff konnte die Kälte nicht abhalten. Lediglich die von der Mutter gestrickten Kniestrümpfe wärmten etwas.
Es hatte frisch geschneit. Unter ihren Füßen knirschte der Schnee. Sie gingen vorsichtig. Die Schuhsohlen waren glatt und sie rutschten gelegentlich. Stürze vermieden sie durch ausgleichende Bewegungen oder sie stützten sich gegenseitig. Eine dicke Wolkendecke versperrte den Blick auf Mond und Sterne. Es war finster und die wenigen Gaslaternen erhellten die Straße nur wenig.
Nach einer halben Stunde erreichten sie ihr Ziel. Hier wurden Pakete verteilt. Nach und nach kamen weitere dick vermummte Menschen. Auch sie wollten für die bevorstehenden Feiertage den Gabentisch mit dem Paketinhalt auffüllen. Die Pakete kamen von weit her aus einem Land, das mit Gütern reich gesegnet war.
Sie luden zwei große Pakete auf ihren Schlitten und wärmten sich ihre Hände an einem mit Holz beheizten Ofen. Dann machten sie sich auf den Heimweg. Die warmen Hände wurden wieder sehr schnell kalt. Es schien noch kälter geworden zu sein und sie liefen, so schnell sie nur konnten. Die schnelle Bewegung erwärmte sie. Sie atmeten heftig.
Schnell und auf kurzem Wege erreichten sie ihr Heim. Sie luden die Pakete ab und stellten den Schlitten in den Keller. Sie wurden schon erwartet. Gemeinsam öffneten sie die Pakete und breiteten den Inhalt auf dem Küchentisch aus. Es gab Dosen mit Fleisch und Kaffee, Kaugummis, Schokolade und andere Süßigkeiten, Dosenmilch, Kakao, Milch- und Eipulver. Darauf hatten sie schon eine lange Zeit verzichten müssen. Der Inhalt wurde sorgfältig bis auf einen kleinen Rest aufgeteilt und für die kommenden Tage weggelegt. Über den Rest machten sie sich sofort her. Es schmeckte und alle wussten nun, was es zu Weihnachten geben würde.
Und jeder freute sich auf das Weihnachtsfest 1946.
erstellt 31.12.2001
erneuert am 29.09.2009