Unsere Erlebnisse

Erlebnisse auf dieser Seite

Die Kasserolle von Johannes Arlt
60 Jahre Supermarkt von Annemarie Lemster
Das Milchmaß von Annemarie Lemster
Einholen früher und heute von Ingeborg Nygaard
Ich kaufe eine Uhr von Uwe Neveling
Mottenkugel von Uwe Neveling
BILD-Zeitung von Jürgen Hühnke

 

Die Kasserolle

von Johannes Arlt, 01.04.2011

„Also“, sprach Frau Jutta, eine geborene Berlinerin, zu ihrem Manne Hans - übrigens ooch een jeborener Berliner - „Du jehst jetzt in det Koofhaus Bresser (so heißen die Leute heute noch) und koofst mir 'ne Kasserolle.“
Beide, Jutta und Hans waren 1960 aus Ost-Berlin nach Wanne-Eickel in Nordrhein-Westfalen gekommen „...wejen die politischen Verhältnisse und so.“
Nun sollte man natürlich auch erfahren, wieso die Dame des Hauses diesen Auftrag erteilte. Jutta und Hans hatten sich erfolgreich um Nachwuchs bemüht, der noch im Werden war und im November 1964 das Licht dieser Welt erblicken sollte. Just für diesen Nachwuchs benötigte Jutta die Kasserolle, zum Milch anwärmen und außerdem, weil diese in ihrem Haushalt eben noch fehlte! Als Berlinerin war sie es gewöhnt, eine Kasserolle in der Küche zu haben – Punkt.

Am nächsten Samstag - so heißt der Sonnabend in NRW - ist also Hans nach der Arbeit, die damals auch für einen Bauingenieur noch bis mindestens 16:00 Uhr dauerte, zum Kaufhaus Bresser im Ortsteil Eickel gefahren, natürlich mit seinem Dienstwagen. Das war ein etwas älteren VW-Käfer mit Zwischengas, geteiltem Rückfenster und Winkern, die nur dann funktionierten, wenn der Türholm von innen einen kräftigen Schlag bekam, zurück gingen die dann so: Scheibe runter, Schlag auf Winker und -schwupp- war er wieder eingeklappt. Übrigens, das sollte man noch wissen, Autofahren war damals auch immer etwas mit Arbeit verbunden: Starten, Zwischengas, Gang rein, wieder Zwischengas, schalten, Gas geben und so weiter, und so weiter! Bei Fahrtverlangsamung natürlich das gleiche Spielchen, immer mit Zwischengas, die Füße kamen nicht zur Ruhe, die rechte Schalthand natürlich auch nicht! Parkplatzprobleme gab es 1964 beim Kaufhaus Bresser noch nicht.

Im Kaufhaus Bresser fragte sich Hans zur Haushaltswarenabteilung durch. Auf die Frage der Verkäuferin, „...kann ich Ihnen helfen?“ antwortete Hans auftragsgemäß, „Ich möchte eine Kasserolle kaufen.“ „Das tut mir leid, Kasserollen haben wir nicht!“ Auf dem Wandregal hinter ihr standen jedoch ungezählte Kasserollen, kleine, mittlere und große. Hans deutete auf dieses Regal und fragte erstaunt, „...was sind denn das für Töpfe, da hinter Ihnen auf dem oberen Regal?“ kam die etwas spitze Antwort: „Das da oben? - das sind Schöpper!“ Genau solch Ding hatte Jutta ihrem Hans beschrieben, freilich als Kasserolle. Und so verlangte er dann eben einen mittelgroßen Schöpper.

Hans bekam den Schöpper und eine Kaufquittung, die er an der Kasse vorlegen musste. Elektronisch lesbare Quittungen mit allen möglichen Informationen gab es 1964 noch nicht. Auf dem Weg zur Sammelkasse las Hans auf der Quittung in sauberster Hand-schrift: „1 Stück Stieltopf 5,25 DM“
Und so dachte er sich dann: „...ejal, ob Stieltopp, Schöpper oder Kasserolle, den Ufftrag von meine Jutta hab ick mit diesen Topp erfüllt!“

Kurze Zeit später war durch die Geburt des Sohnes Axel mit Jutta und Hans eine kleine Familie geworden. Und in Juttas Küchenausstattung gab es jetzt auch eine Kasserolle!

Anmerkung:
Laut Duden gibt es in der Wortverbindung „Stiel-“ (Handhabe, Griff, Stängel)
Stiel- auge,
Stiel- besen,
Stiel- brille,
Stiel- bürste,
Stiel- kamm
Stiel- mus,
Stiel- stich (Stickerei)
jedoch keinen Stieltopf!
Allerdings kennt der Duden auch den Schöpfer (Schöpfgefäß) und die Kasserolle - aus dem Französischen adaptiert - als Schmortopf bzw. Schmorpfanne.
J.A.

 

60 Jahre Supermarkt

von Annemarie Lemster erstellt am 26.11.2009

Nach dem Krieg bekamen die Menschen ihre Lebensmittel nur auf Marken, die dann in einem bestimmten Zeitraum zuteilungsreif waren. Nach der Währungsreform normalisierte sich so ganz allmählich das tägliche Leben. Vor 60 Jahren machte dann in Deutschland der erste Supermarkt auf. Eine völlig neue Art einzukaufen, und so wunderte es nicht, dass sie sich erst ganz langsam durchsetzte.
1965, wir wohnten damals in Northeim, machte dort der erste Supermarkt auf. Für mich war diese Eröffnung eine ganz bestimmt Freude. Nicht, weil ich nicht gern in einem Laden mit freundlicher Bedienung einkaufen wollte, nein, es war für mich eine große Erleichterung. Wir hatten zu der Zeit vier Kinder, die zum Teil noch im Kinderwagen oder der Sportkarre saßen. Nun waren die alten Lebensmittelläden immer recht klein, es war dort sehr eng und für Kinderwagen gab es dort nicht genug Platz. So war ich immer gezwungen, meine Kinder während des Einkaufs auf dem Bürgersteig zu „parken“. Wenn der Autoverkehr auch noch nicht so stark wie heute war, so hatte ich immer ein ungutes Gefühl während meines Einkaufs. Für mich hatte zur damaligen Zeit so ein Supermarkt nur den einzigen positiven Grund, dort einzukaufen: ich konnte ab jetzt immer meine Kinder mit in den Laden nehmen.
Einem Tante-Emma-Laden habe ich niemals mehr nachgetrauert, denn ich hatte nie das beste Gefühl, meine kleinen Kinder dort auf der Straße stehen zu lassen, wenn auch die etwas größeren am Kinderwagen anfassen mussten, so waren es doch Kinder und haben sich oft vergessen.
Heute ist so ein Supermarkt die normalste Sache der Welt.

 

Das Milchmaß

von Annemarie Lemster erstellt am 06.03.2009

Wer kennt ihn noch, den Milchmann um die Ecke? Ich besuchte ihn 1960 in den ersten Jahren meiner Ehe jeden Tag. Säuglinge und kleine Kinder brauchen täglich frische Milch. Kühlschränke hatten nur sehr wenige Leute, so wie wir auch. Jeden Morgen, auch am Sonntag, ging ich mit meiner Milchkanne zum Milchmann und holte die Milch für diesen Tag. Milch wurde damals in großen Kannen angeliefert und aus dieser schöpfte der Mann mit einem bestimmten Messgefäß von seiner großen Kanne in meine kleine. Es hat mich immer fasziniert, wie treffsicher er dieses schaffte. Dieses Milchmaß gab es in ¼, - ½, - und 1 l Messgefäßen. Dies war ein kleines Rohr (unten verschlossen) mit einem Stiel mit Henkel daran. Je nach Maßeinheit war dieses Rohr kürzer oder länger. Da an diesem Rohr aber keine Ausgießlippe war, hob der Milchmann das Maß sehr hoch und goss mit großem Geschick die Milch aus der Höhe in meine Kanne, ohne einen Tropfen zu verschütten. Wenn ich mal 1¾ Liter Milch brauchte, musste er alle drei Messgefäße benutzen und immer traf er genau in meine Kanne.
Dann hatte mein Milchmann sonntags nicht mehr geöffnet, schließlich machte er ganz zu.
Heute hole ich meine Milch in der Tüte aus dem Supermarkt.

 

Einholen früher und heute

von Ingeborg Nygaard

Fangen wir beim „heute“ an; Wir gehen oder fahren zu einem Supermarkt, einem Einkaufszentrum oder zum Großmarkt im Gewerbegebiet. Alles haben wir dann auf einem Fleck, ob es um die komplette Verpflegung oder um die Feriengarderobe u.s.w. der ganzen Familie geht. Was bleibt, sind einzelne Einkäufe, die man nur in Fachgeschäften tätigen kann.

Und da sind wir nun bei „früher“. Es gab praktisch nur Fachgeschäfte – bis auf sehr wenige Ausnahmen. Mit viel Zeit und Kräfteaufwand ging man zum Bäcker, Krämer, Milchmann, Schlachter, Fischhändler, Gemüsemann. Das war fast jeden Tag der notwendige Törn der Hausfrau. Die Geschäfte lagen oft weit auseinander, längere Wege zu Fuß, manchmal per Rad, mussten zurückgelegt werden. Von der Schlepperei ganz zu schweigen.

Zu den erwähnten Ausnahmen gehörten ein paar Kaufhäuser wie Karstadt, Tietz (später Alsterhaus), Epa, und die Pro, eine Ladenkette, die wohl den Grundbedarf der Bevölkerung abdeckte. Man fand diese Pro- Geschäfte - nach meiner Erinnerung - vor allen nur in den dicht bewohnten Stadtteilen.
Wissen Sie jetzt, warum es früher so gut wie keine berufstätigen Hausfrauen gab und geben konnte?
PS: „früher“ das waren die zwanziger und dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
erstellt am 21.06.2004

Recherche
Karstadt: Am 14. Mai 1881 gründete Rudolph Karstadt sein erstes Geschäft in Wismar unter dem Namen „Tuch-, Manufactur- und Confectionsgeschäft Karstadt“. Recht schnell eröffnete das Unternehmen Filialen in 24 Städten Norddeutschlands. Einen ersten Höhepunkt bildete das 1912 an der Mönckebergstraße in Hamburg eröffnete erste Großstadt-Warenhaus in Deutschland mit einer Verkaufsfläche von rund 10.Tsd. m².
Heutiger Sitz der HV ist Essen.

Tietz
Hermann Tietz (1837- 1907) war Kaufmann und Namensgeber der Warenhaus-Kette Hermann Tietz.(später HERTIE). Er finanzierte seinem Neffen Oscar Tietz 1882 die Gründung eines Textilgeschäfts in Gera und unterstützte ihn weiterhin beim Ausbau des Unternehmens, bei der Expansion in andere Städte und bei der Einführung neuer Verkaufspraktiken und Technologien. 1994 wird HERTIE von der Karstadt AG übernommen. Nur die zum Konzern gehörenden Häuser Alsterhaus und KaDeWe behalten ihre Namen.
Leonhard Tietz (1849 – 1914), ebenfalls Neffe des Hermann Tietz, gründete schon 1879 in Stralsund ein kleines Textilgeschäft. Wenig später wechselt er nach Westdeutschland. Nach seinem Tod betreiben die Söhne die Kaufhauskette Leonhard Tietz, die 1934 durch die Nazis enteignet und in „Westdeutsche Kaufhof AG“ umgetauft wurde. Heute führt das Unternehmen den Namen GALERIA-Kaufhof.

Pro: Die als Konsum-, Bau- und Sparverein „Produktion“ eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht, Sitz Hamburg, wurde 1899 gegründet. Sie war im wesentlichen eine Konsumgenossenschaft, den Grundbedarf der Bevölkerung abdeckte.
Die erste Verkaufsstelle wurde am 17. Juli 1899 am Groß-Neumarkt eröffnet. Schon 1930 betrieb die Pro über 480 Geschäfte u.a. auch eine Kaffeerösterei und eine Möbel- und Sargfabrik.

EPA, (aus Einheitspreis AG) war ein Schweizer Discount-Warenhaus, das 1930 eröffnet wurde und im Billigsegment angesiedelt war.

aus Wikipedia

 

Ich kaufe eine Uhr

von Uwe Neveling erstellt am 21.03.2011

Es ist Ende November. In vier Wochen ist Weihnachten. Weihnachtsgeschenke gibt es bei uns nicht. Die vorweihnachtliche Zeit verbringen wir daher gelassen und ruhig. Kein Stress und keine Hektik. Die ruhigen Tage werden allerdings etwas getrübt durch ein anderes jährlich wiederkehrendes Ereignis. Meine Frau hat am 24. Dezember Geburtstag. Als Kind habe sie nicht darunter gelitten, hatte sie mir mal vor einiger Zeit gesagt. Sie habe am 24. immer ein Geschenk mehr gekriegt als ihre Brüder und ihre Schwester. Zum Geburtstag sollte sie von mir selbstverständlich auch etwas bekommen, aber nur zum Geburtstag. Ich musste mich daher doch in das vorweihnachtliche Getümmel stürzen.

Meine Frau sammelt Swatch-Uhren. Sie hat davon schon sehr viele, die sie alle in einem Vitrinen-Schrank aufbewahrt. Ich bin froh über ihre Sammelleidenschaft. Ich weiß daher jedes Jahr, was ich ihr schenken kann. Die Uhren sind zumeist sehr flach und besitzen ein modisches Armband. Jedes Jahr gibt es vom Hersteller neue Kreationen.

Wie gesagt, es ist Ende November. Noch sind die Geschäfte nicht überfüllt; Weihnachtsgeld gibt es erst Anfang Dezember. Ich betrete mein Juweliergeschäft. Ich sage bewusst „mein“ Juweliergeschäft. Ich bin schon seit vielen Jahren Kunde und werde auch entsprechend von der Verkäuferin begrüßt. Sie kennt meine Vorlieben für Swatch-Uhren. Sie zeigt mir die neue Kollektion.

Ein Exemplar fällt mir sofort auf. Es ist eine digitale Uhr, die erste digitale Swatch-Uhr. So etwas hat es vorher noch nicht gegeben. Die will ich haben. Die Anzeige leuchtet lila in einem schwarzen Feld. Das schwarze Feld wird von einem breiten, lila gefärbten Streifen ringförmig eingefasst. Das Armband ist aus Leder, natürlich auch lilafarben. Die Rückseite des Uhrengehäuses ist so gestaltet, dass man gedruckte Schaltungen sehen kann. Auch das Batteriefach ist leicht zugänglich. Das Ganze sieht sehr fortschrittlich aus.

Die Uhr zeigt noch die Sommerzeit. Seitlich am Gehäuse befindet sich ein Stellrad. Die freundliche Verkäuferin drückt auf das Rad. Sofort ändert sich die Digitalanzeige. Es erscheint ein @-Zeichen mit einer Ziffernfolge. Damit können wir überhaupt nichts anfangen. Die Verkäuferin sucht nach der Originalverpackung, denn da muss sich dann auch die Gebrauchsanweisung befinden. Die Suche ist erfolglos. Der Kasten ist nicht aufzutreiben. Sie sucht Hilfe bei ihren Kolleginnen und Kollegen. Das Problem „Umstellung auf Winterzeit“ beschäftigt jetzt drei hochqualifizierte Verkäuferinnen und einen Verkäufer. Und ich mitten drin. Am Rad wird gezogen und gedrückt, und ständig wechselt die Anzeige von der Sommerzeit auf die @-Anzeige und zurück. Auch mein Ratschlag, am Rad zu drehen, ist ergebnislos. Wir gucken uns alle ratlos an. Wir müssen uns noch einmal die Bedienungsanleitung vom Hersteller schicken lassen, meint meine Verkäuferin, so kommen wir nicht weiter. Die anderen Spezialisten haben sich in die hinteren Geschäftsräume zurückgezogen. Ich bin mit meiner Geschäftspartnerin wieder alleine. Sie will die Uhr für mich reservieren. Ich erhalte von ihr einen Reparatur-schein und verlasse ohne mein Geburtstagsgeschenk das Geschäft.

Eine Woche später erhalte ich einen Anruf. Es ist jetzt alles in Ordnung, sagt eine freundliche Stimme am Telefon. Ich begebe mich wieder zum Juwelier. Die Uhr zeigt jetzt die Winterzeit und eine Bedienungsanleitung ist auch vorhanden. Bei unseren ersten Stellversuchen haben wir nicht lange genug auf den Knopf gedrückt. Drückt man lange genug, so kann man problemlos die Zeit stellen. Die @-Anzeige ist übrigens eine weltweit geltende Internetzeit. Ich und meine Frau können nichts damit anfangen, und auch das Fachpersonal zuckt nur mit den Schultern. Ich freue mich schon auf den nächsten Uhrenkauf. Wahrscheinlich wird uns der Hersteller dann mit einer galaktischen Zeit überraschen. Meine Frau hat sich dennoch über die Uhr sehr gefreut.

 

Mottenkugel

Wer kennt heute noch Mottenkugeln? Motten im Kleiderschrank gibt es nicht mehr, weil unsere Kleidung nicht mehr aus Wolle, sondern fast nur noch aus synthetischen Fasern besteht – und davon werden die Larven der Motten nicht satt.
von Uwe Neveling

Die Vokabel setzt sich aus zwei Hauptbegriffen zusammen: Motten und Kugel. Motten sind nachtfliegende Kleinschmetterlinge. Das habe ich irgendwo mal gelesen. Sie scheinen die Dunkelheit zu lieben. Aber warum fliegen sie dann immer wieder dem Licht entgegen? Wollen sie es auslöschen? „Männer umschwirren mich wie Motten das Licht...“ sang Marlene Dietrich im Blauen Engel. Aber für das seltsame Verhalten der Motten hat sie auch keine Erklärung gehabt, höchstens für die der Männer. Eine Unterart ist die Kleidermotte. Die Weibchen sollen sehr fruchtbar sein. Sie legen viele Eier, aus denen sich dann die Raupen entwickeln. Und die fressen unsere Wollsachen und brachten unsere Großeltern damit zur Verzweiflung. Die ließen sich was einfallen. Wofür gibt es schließlich Chemikalien? Es musste etwas beißend Riechendes sein. Naphthalin erfüllte diese Voraussetzungen.

Naphthalin wird aus Steinkohle gewonnen. Es ist eine weißliche Masse. Heute weiß man, dass die mottentötende Wirkung nur ein Gerücht ist. Unsere Großeltern wussten es nicht besser. Sie füllten Schränke und Schubladen mit Naphthalin-Kugeln. Die Kugelform hatte man wohl deshalb gewählt, weil sie vollkommen ist. Eine Kugel ist eine krumme Fläche. Alle Punkte der Fläche haben denselben Abstand vom Mittelpunkt. Die Oberfläche einer Kugel ist genau viermal so groß wie die Fläche eines Kreises mit demselben Radius. Das hat Archimedes entdeckt. Über Kegel-, Halbkugel- und Zylinder-Berechnungen ist er zu diesem Ergebnis gekommen. Wir haben ihm viel zu verdanken.

Ich verspürte den unbändigen Drang, Mottenkugeln zu erwerben. Ich machte mich auf den Weg in unsere kleine Stadt. Für Chemikalien sind bekanntlich Apotheken und Drogerien zuständig. Ich betrat die Eulen-Apotheke. Es bediente mich eine nette, freundliche Apothekerin. „Ich habe eine ungewöhnliche Frage an Sie“ sagte ich. Sie sah mich erwartungsvoll an. „Haben Sie Mottenkugeln“? Ich fühlte mich etwas unwohl. Zum Glück war ich der einzige Kunde und lehnte mich betont lässig an den Ladentisch. Ob das wirkte, war nicht erkennbar. Die nette Bedienung befragte ihren Computer und rief dann zu ihrer Kollegin, die sich in den hinteren Räumen aufhielt: „Haben wir Mottenkugeln“? „Nein“ tönte es laut zurück. Mittlerweile hatte sich die Apotheke mit weiteren Kunden gefüllt. Man blickte mich an und überprüfte offensichtlich meine Kleidung nach Mottenfraß.

Die Apothekerin blätterte jetzt in einem dicken Katalog. Die Katalog-Produkte waren alphabetisch geordnet; unter dem Buchstaben M gab es jedoch keine Mottenkugeln. Man hatte wohl zwischenzeitlich erkannt, dass Motten Mottenkugeln ignorierten und sich beim Eierlegen nicht stören ließen. Ich brach daher weitere Recherchen nach dem Verbleib von Mottenkugeln ab, bedankte mich und verließ schnell die Apotheke. In meinem Rücken verspürte ich die Blicke der übrigen Kundschaft. Man hatte mit mir Mitleid.

erstellt am 20. November 2010 16:50 Uhr

Zusatzinfo:
Marlene Dietrich war eine deutsche Filmschauspielerin, die Anfang der 1930 Jahre Deutschland verlassen hat und in Hollywood eine Weltkarriere begann.
Sie spielte in dem Tonfilm „Der Blaue Engel“, der zwischen 1929 und 1930 entstand, eine Tänzerin aus dem Varieté, die das Chanson „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt...“, singt, in dem auch die zitierte Zeile mit den Motten vorkommt. Der Film entstand nach dem Roman „Professor Unrat“ von Heinrich Mann.

aus Wikipedia

 

BILD-Zeitung

Eine Zeitung verändert das Kauf- und Leseverhalten fast einer ganzen Nation

von Jürgen Hühnke erstellt am 24.04.2004

Charakteristisch für meine Heimatstadt war die sozial überproportional vertretene Beamtenschaft; denn es handelte sich nicht nur um eine Kreisstadt mit Behörden wie Amtsgericht und Finanzamt, sondern darüber hinaus war sie der Hauptort eines Regierungsbezirks. Viele der in der Kreisverwaltung tätigen Beamten kamen morgens auf dem Weg zur Arbeit bei meiner Mutter vorbei, an ihrem Kiosk für Zeitschriften, Tabak- und Süßwaren, auch Lottoannahmestelle, um hier ihre tägliche Lektüre und Zigaretten oder den Krüllschnitt für ihre Pfeifen zu kaufen. Da ich als Schüler gelegentlich in diesem Lädchen verkaufte, konnte ich diese soziale Gruppe gut beobachten - freundliche und umgängliche, adrett gekleidete Leute, gern zu einem Plausch von Nachbar zu Nachbar aufgelegt. Das änderte sich am Anfang der fünfziger Jahre fast schlagartig mit der Einführung der Bildzeitung. Dieses Presseorgan machte das Lesen wie das Leben nicht nur oberflächlicher, es prägte mit einer speziellen Verkaufsmethode auch das Wesen des Geschäftsverkehrs am Kiosk. Niemand brauchte mehr zu sagen: "Bitte, eine Sowieso - Zeitung!" Vielmehr war die Bedienung ihm selbst überlassen, wurde der ganze Vorgang anonymisiert und automatisiert, indem er einen Kasten mit den Zeitungen vorfand, eine Art Kiste wie ein Bauchladen, der bei Straßengeschäften vor der Tür stand - also das Betreten des Ladens erübrigte - und beim Kiosk auf dem Umlaufbrett vor dem Verkaufsfenster. Eine aufgeschraubte durchsichtige Plastikschachtel mit einem Schlitz nahm die Groschen auf. Die neue Art, eine Zeitung zu kaufen, entwickelten besonders die Radfahrer unter den zur Stechuhr Eilenden zur bravourösen Perfektion. Vorfahren - kurz abbremsen - Groschen einwerfen - die BILD unters Jackett stecken - schnell davonfahren, als hätte man etwas gestohlen. Vielen von ihnen wäre unwohl gewesen, wären sie dabei ertappt worden, eben dieses unanständige Blatt erhascht zu haben (wortwörtlich; denn von „erstanden" konnte keine Rede mehr sein).