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Kriegsende und Uhri - Uhri von Heinz Münchow
Wie ich das Kriegsende 1945 erlebte von Heinz Münchow
So erlebte ich das Ende des Zweiten Weltkrieges von Edith Kollecker
Meine letzten Tage in Pommern von Edith Kollecker
Die weiße Hand von Annemarie Lemster
War das das Ende des Krieges? von Annemarie Lemster
Kriegsende 1945 Von Ingeburg Nygaard
"D'Soldate brauche Wurscht!" von Bernd Schwiers

 

Kriegsende und Uhri - Uhri

von Heinz Münchow 19.01.2005

Es war Mai 1945. Der Krieg - Beginn 1939 - lag „in den letzten Zügen", auch unser Lazarettzug. Er kam „aus dem Osten“ und sollte nach Lübeck oder Kiel fahren, damit die verwundeten oder kranken Soldaten weiter versorgt werden konnten.

Auch ich war Reisender in diesem Zug (mit einer Handverletzung war ich "Sitz-Patient", konnte mich also bewegen). Der Zug kam nur langsam vorwärts, wegen der Kriegsereignisse blieb er immer wieder stehen. Schließlich blieb er in Mecklenburg "auf der Strecke". Die Lokomotive hatte keine Kohlen mehr.

Was nun? Abwarten? Gerüchteweise hieß es, in Bad Kleinen seien schon die Engländer einmarschiert. Und wenn ich aus meinem Abteilfenster blickte, sah ich Soldaten der Roten Armee auf kleinen Pferden am Bahngleis entlang reiten. Also ab in die Gefangenschaft in Richtung Osten? Es war den Versuch wert - zu Fuß nach Bad Kleinen durchschlagen!

Wir waren eine kleine Gruppe von vier Mann. Früh am Morgen schlichen wir uns davon in Richtung Westen. Zuerst ging alles glatt. Nach einer Stunde aber eine laute Stimme: S T 0 J ! Soldaten der Roten Armee hatten uns entdeckt.

Ein Soldat untersuchte mich nach Waffen, er entdeckte meine Armbanduhr! Voller Entzücken rief er: "Uhri - Uhri" und zeigte mir seine Sammlung von etwa 20 Armbanduhren auf beiden Armen. Meine wurde also die 21.

Mit Bad Kleinen ist's nichts geworden. Ich durfte meine „Kriegsschuld" in russischer Gefangenschaft abarbeiten.

Anmerkung:
Der Autor hat diese Geschichte später noch einmal unter dem Titel „Wie ich das Kriegsende erlebte“ etwas ausführlicher beschrieben. In der unter dem Datum 18.06.2006 erstellten , aber erst am 20.11.2007 abgespeicherten Datei fehlt allerdings der Hinweis auf die konfiszierte Uhr.
Fritz Schukat, 18.05.2011

 

Wie ich das Kriegsende 1945 erlebte

von Heinz Münchow 18.06.2006

Anfang 1945 hatte ich mir in den Ardennen eine Handverletzung durch einen Granatsplitter zugezogen. Von der Westfront wurde ich zwecks medizinischer Versorgung in Richtung Osten verlegt. Und hier im Osten gelang es mir, einen Sitzplatz in einem Lazarettzug zu erwischen. Das Fahrtziel des Zuges wurde mit Lübeck und Kiel angegeben. Nun waren das ja keine großen Entfernungen, aber der Mangel an Kohle (für die Lokomotive) sowie Fliegerangriffe auf den Zug verhinderten eine schnellere Fahrt. So bummelte der Zug in Mecklenburg von Halt zu Halt.

Die ersten Maitage waren herangekommen Wenn die Ungewissheit nicht gewesen wär, wäre es bei dem warmen Frühlingswetter sogar ganz gemütlich in und an unserem Zug gewesen. Der Zug hielt wieder einmal auf freier Strecke in der Nähe einer Waldlichtung, da erschienen fünf Soldaten der Roten Armee auf kleinen Pferdchen. Sie ritten am Zug entlang und ordneten an: Das Feuer in der Lok wird gelöscht. Die Patienten bleiben im Zug liegen oder stehen. In den nächsten Tagen werden die Arbeitsfähigen in die Gefangenschaft geführt.

Wir waren drei Sitzpatienten, dachten nach und beratschlagten, wie man wohl der sowjetischen Gefangenschaft entgehen konnte. Gerüchtweise hieß es, vom Haltepunkt bis nach Bad Kleinen seien es nur etwa 10 km - und in Bad Kleinen wären schon die Engländer einmarschiert! Da schien es uns eines Versuchs wert, die Gefangenschaft bei der Roten Armee zu umgehen.

Also: Im Morgengrauen des folgenden Tages schlichen sich drei dunkle Gestalten durch den Wald in Richtung Westen davon. Und nach etwa einer halben Stunde plötzlich ein Ruf: S T 0 I (stehen bleiben!). Und einige Gewehre im Anschlag! Na, das war es wohl gewesen!

Wir durften anschließend viel weiter im Osten unsere Kriegsschuld abarbeiten.

siehe auch „Kriegsende Uhri-Uhri“ desselben Autors.

 

So erlebte ich das Ende des Zweiten Weltkrieges

von Edith Kollecker erstellt am 20.10.2004

Es war der 1. März 1945 in Streckenthin, Kreis Köslin, als wir unsere große Reise ins Ungewisse antraten. Wir wollten den Russen entkommen, die schon ca. 20 km von uns entfernt gegen die Deutschen kämpften. Schon tagelang hatten wir auf den Treckbefehl gewartet, mit voll bepackten Wagen, es brauchten nur noch die Pferde vorgespannt zu werden. Es war abends 8:00 Uhr, als wir endlich losfahren durften. Es war dunkel, kalt und glatt. Wir wa-ren 6 Wochen unterwegs und haben in Kuhställen, Schulen und im Wagen übernachtet.
Aufgeatmet haben wir, als wir endlich über die Oder kamen und die Grenze nach Vorpommern passieren konnten. Die Brücke wurde anschließend ge-sprengt, denn die Front kam immer näher. Waren wir den Russen entkom-men, so landeten wir bald an der Front der Westalliierten. Wir hatten Unter-kunft gefunden auf einem Bauernhof in Petersdorf, Kreis Cloppenburg. Die ersten drei Wochen waren für uns noch angenehm. Wir durften unser Essen verdienen durch die Mithilfe auf dem Hof. Ich erinnere mich noch an das Kartoffelpflanzen. Wir legten uns in die Rillen, wenn die Tiefflieger über uns hinwegflogen. Sie haben zwar geschossen, aber sie wollten uns sicher nicht treffen. Damals sahen wir das allerdings anders und hatten große Angst.
Das Gefühl, ein Dach über dem Kopf und Essen zu haben, änderte sich, als die Front der West-Alliierten immer näher rückte. Drei Kilometer von uns entfernt war ein kleines Gut, dort hatten Kanadier die Front errichtet. Die gesprengte Brücke über den Fluss Vene hinderte sie daran, weiter zu uns durchkommen. Dann zogen bei uns auf dem Bauernhof deutsche Soldaten ein. Jeden Abend eröffneten die Alliierten das Feuer und unsere Soldaten schossen zurück. Die Dächer der umliegenden Bauernhöfe waren schon alle zerschossen. Wir saßen dann die Zeit über in einer entfernten Höhle, die der Bauer für uns gegraben hatte. Seine Möbel hatte er auf Wagen gela-den und ins Moor gefahren. Auch die Pferde und Kühe waren auf einer Weide im Moor untergebracht. Der Besitzer des entfernten Gutes kam zu Fuß mit einer weißen Fahne über die Felder, um die deutschen Soldaten zum Abzug aufzufordern. Nach einiger Zeit zogen sich unsere Soldaten tat-sächlich zurück, und auch die Kanadier machten mit ihren rasselnden Pan-zern kehrt, weil sie zu uns nicht durchkamen.
Zwei Tage später hörten wir, der Krieg ist zu Ende! Leider hörten wir auch, dass unsere Soldaten als Fahnenflüchtige gehängt worden waren. Wir hat-ten bis dahin keinen ausländischen Soldaten zu Gesicht bekommen, weder Russen noch einen von den Westalliierten.
Deshalb sind uns - Gott sei Dank - die Gräueltaten erspart geblieben, die meine beiden Schwestern erleiden mussten, weil sie nicht rechtzeitig Pom-mern verlassen konnten!

 

Meine letzten Tage in Pommern

von Edith Kollecker aufgestellt 01.09.2003

Es war Ende Februar 1945 in meinem Heimatort Streckenthin, einem kleinen Gut im Pommern, nahe der Stadt Köslin. Der Vorarbeiter vom Gut ging von Haus zu Haus und klopfte an die Türen der Arbeiterfamilien. Er verkündete den Leuten, dass sie sich bereithalten sollten, falls wir auch flüchten müssten. Unsere Eltern hatten so sehr gehofft, dass sie davon verschont blieben, obwohl es schon wochenlang danach aussah, denn es kamen immer mehr Trecks von Ostpreußen mit kleinen zottigen Pferdchen, Panjewagen und Frauen mit dunklen Kopftüchern, um bei uns eine Nacht zu verbringen. Die Kinder des Gutshofs, alle ungefähr in unserem Alter - ich war 10, mein Bruder Heinz 13 Jahre - bestaunten diese Leute. Wir wussten noch nichts mit der Situation und der Tragik anzufangen, in der sie sich befanden. Wir hatten schon seit einiger Zeit keine Schule mehr, da die Räume für andere Zwecke gebraucht wurde.
Die ersten Flüchtlinge wurden noch von uns und den anderen Familien verpflegt und schliefen bei uns auf Matratzen. Man rückte noch etwas weiter zusammen. Als der Treck aber nicht abriss und die Menschen überhand nahmen, wurden sie vom Gut verpflegt.
Meine Schwestern Gerdi, die sowieso auf dem Gut arbeitete, Irmi, die schon ein paar Tage vorher aus der Kaserne in Köslin entlassen worden war und Tutti, die vom Graben schippen nach Hause geschickt wurde, mussten den ganzen Tag Kartoffeln schälen, Gemüse putzen und Essen ausgeben. Dann durften die Menschen in den Kuh- und im Schweineställen auf frischem Stroh übernachten. Es war sicher das letzte Mal, dass sie so gut bewirtet wurden. Sie fuhren den nächsten Tag sehr früh weiter und bevor es dunkel wurde, kamen die nächsten, um hier zu essen und in den Ställen zu übernachten.
Die Gutsbesitzer hatten auch schon für uns Vorsorge getroffen. Der Stellmacher und der Schmied hatten die Leiterwagen als Planwagen um-gebaut.
Die Wagen wurden dann den Familien auf den Hof gestellt, es mussten immer drei Familien auf einem Wagen Platz haben, nur die Kinder und die alten Leute durften im Wagen mitfahren, die anderen sollten mit dem Fahrrad nebenherfahren oder laufen. Nun begannen unsere Eltern und wir mit dem Beladen. Jeder schleppte das für ihn Wichtigste heran, um es dann wieder zurückzutragen, weil kein Platz mehr dafür vorhanden war. Meine Mutter weinte, als sie mit meinen Schwestern das gute Geschirr dicht neben der Hundehütte vergraben hatten, damit man es nachher, wenn wir wieder zurück kommen würden - und das dachten fast alle - leichter wieder finden konnte.
Unser junger kleiner Hund hatte solch eine Angst. Bei jedem Geräusch verkroch er sich in seine Hütte, und bei dem Chaos und der Hektik wurde er fast vergessen. Im Januar hatten wir noch ein Schwein geschlachtet; also zu Essen war noch genug da. Jetzt sollte auch noch Brot gebacken werden. Der Backmeister, der für das Backen verantwortlich war, hatte den Ofen schon recht früh vorgeheizt. Jetzt konnten die Frauen mit dem Teig für die Brote kommen, sie hatten den Sauerteig schon abends vorher angerührt. Es war ein Spießrutenlauf. Sonst waren die Familien eingeteilt, zu welcher Zeit die Frauen mit ihren Backwaren kommen sollten. Jetzt waren alle auf ein Mal da, um so schnell wie möglich mit ihren fertig gebackenen Broten wieder nach Hause zu gehen.
Der Treckbefehl kam, als das Brot noch warm war, es war der 1. März. 1945. Abends, um 20.00 Uhr sollten alle Wagen fertig beladen auf dem Gutshof stehen. Wir würden nur ca. 5 km bis ins nächste Dorf fahren und warten, wie weit die Front vorrückte. Der Kutscher ein sehr betagter Mann, kam mit den Pferden, um sie vor unseren Wagen zu spannen. Mann hörte ihn mit den Pferden schimpfen, die waren es nicht gewohnt, so spät noch aus dem Stall geholt zu werden. Wir nahmen Platz zwischen warmen Broten, Mehl und Steinkrügen mit Schmalz und Sirup. Verhungern würden wir nicht, dafür war gesorgt, und unseren dicken, gut in Futter stehenden Pferden traute man schon einiges zu!
Es war stockdunkel, kalt und glatt als wir losfuhren! Die Pferde schnauften und stolperten und mussten geführt werden. Das übernahmen meine Schwestern, die mit einer Hand ihre Fahrräder schoben. Der Kutscher war schon ganz heiser vom vielen "Hüh und Hott" schreien. In der Ferne hörte man das Donnern der Kanonen, als Köslin, 12 km von uns entfernt, be-schossen wurde. Das war aber erst der Anfang einer 6 Wochen dauernden Reise ins Ungewisse. Wie wir auch immer unsere Tage und Nächte ver-brachten, landeten wir schließlich in Petersdorf, im Landkreis Cloppen-burg.
Bei einem Gutsbesitzer, der in der Nähe noch ein kleines Moorgut besaß, wurden wir so gut es ging aufgenommen. Wir durften im Kuhstall übernachten und wurden dann am nächsten Tag auf die umliegenden Bauernhöfe verteilt.

 

Die weiße Hand

von Annemarie Lemster erstellt am 27.02.2005

Es war 1945, die Amerikaner waren einmarschiert. „Jetzt ist der Krieg endlich vorbei“, hörte ich immer die Erwachsenen reden. Die Bedeutung der Worte konnte ich damals mit meinen sechs Jahren noch nicht richtig bewerten, aber eines wusste ich schon, nicht mehr in den Keller und nicht mehr diese schlimmen Bomben.
Wir wohnten, nachdem wir zweimal in Hannover total ausgebombt waren, in Sarstedt am Ende einer Straße in einer Baracke. Wenn auch die Amerikaner bei uns einmarschiert waren, so gab es jetzt nur noch Engländer, wir waren jetzt Britische Besatzungszone. Bis zu unserer Baracke war die Straße von den Engländern beschlagnahmt worden. Alle Bewohner mussten ihre Häuser räumen, sie zogen zu Verwandten oder zu uns in die Baracken. Am Ende der Straße wurde ein hoher Drahtzaun gezogen. Mein Schulweg ging nun für ein paar Jahre durch Gärten, Felder und eine Sauerkirschplantage. Dieses war für uns Kinder nur im Sommer interessant. Wenn auch der Bauer aufpasste, er konnte ja nicht überall sein und so wussten wir wenigstens wie Kirschen schmecken.
Oft standen wir Kinder an dem Zaun und beobachteten das Leben hinter dem Draht. Die Soldaten waren zu uns Kindern immer sehr freundlich. Es wurde von drüben herüber gewunken und wir winkten zurück. Um dieses beschlagnahmte Gebiet patrouillierten in bestimmten Abständen immer zwei Soldaten. Wir Kinder hüpften dann oft auf unserer Seite nebenher. Manchmal bekamen wir durch den Maschendraht auch schon einmal ein paar Kekse oder einen Bonbon. Da ich ein sehr schüchternes Kind war, lief ich meistens in zweiter Reihe mit und bekam dann nicht immer etwas ab. Einmal war ich aber doch sehr mutig und ging auf das Winken eines Soldaten dicht an den Zaun. Dieses Mal ging ein weißer und ein schwarzer Soldat Streife. „Neger“ kannte ich nur von Buchzeichnungen und dort hießen sie Mohren, in natura hatte ich bis dahin noch keinen gesehen. Ich nahm all meinen Mut zusammen und streckte meine kleine Hand durch den Zaun, um nach den Kaugummi zu greifen. Der „Neger“ reichte seine Hand zum Zaun. Ich schaute auf diese Hand, war fürchterlich erschrocken und lief schreiend davon. Bei meiner Mutter suchte ich Schutz. Nach dem ich mich beruhigt hatte, konnte ich ihr erzählen, was mir so Angst gemacht hatte. „Der Soldat war schwarz und hatte eine andere Hand“, erzählte ich. Mutti wusste nicht, was sie antworten sollte, sie verstand mich nicht. Nach vielen Fragen kam heraus, ich hatte mich vor der weißen Handinnenfläche erschrocken. Woher sollte ich auch wissen, dass die Handinnenflächen farbiger Menschen heller sind?
Einen Kaugummi habe ich danach nur aus dritter Hand bekommen, denn an diesen Zaun bin ich nie mehr wieder herangetreten.

 

War das das Ende des Krieges?

von Annemarie Lemster erstellt am 23.05.2006

1945 ein paar Tage vor Kriegsende spürte ich, damals sieben Jahre alt, etwas war anders an diesem Tag. Die Erwachsenen waren irgendwie aufgeregt. Wir wohnten, nachdem wir zweimal in Hannover ausgebombt waren, in Sarstedt, einer kleinen Stadt zwischen Hildesheim und Hannover. Luftangriffe hatten wir hier nicht zu befürchten. Seit Tagen hörte man aber ein anderes Geräusch. Es war wie ein leises, tiefes Summen. Es kam immer näher, und nun war das Summen zu einem rollenden Brummen geworden. Man hörte auch immer wieder, dass geschossen wurde.
An diesem bestimmten Morgen schickte meine Mutter meinen Bruder, der vor ein paar Tagen aus dem Lazarett nach Haus gekommen war, zu meinen Großeltern, die im gleichen Ort wohnten, um sie zu uns zu holen. Opa war nicht mehr so gut zu Fuß, deshalb wurde er in den Handwagen gesetzt und so brachte mein Bruder Opa und Oma zu uns. Das Rollen kam immer näher. Nun wusste ich auch, das Geräusch kam von immer näher rückenden Panzern. In Ruthe, einem kleinen Dorf in der Nähe, hatten sie die Leine überquert und kamen jetzt auf der Ruther Straße, einer Allee, die nach Sarstedt führte, immer näher. Es wurde auch immer mal wieder geschossen.
Bei uns zu Haus war ein reges Treiben. Es wurden ein paar Taschen gepackt, aber noch mehr Hektik gab es am Herd. Meine Mutter verbrannte alles, was an Soldaten erinnerte. Mein Vater war durch einen glücklichen Umstand auch zu Haus, also verbrannte Mutti die ganze Uniform. Alle Papiere und alles, was nach Militär aussah, wanderte in den Ofen. Da immer wieder geschossen wurde, entschloss man sich, Schutz in einer nahe gelegenen Steinkuhle zu suchen. Hierfür mussten wir einen kleinen Berg hoch. Opa saß wieder im Handwagen und ein paar Kleinigkeiten lagen auch drin. Heute glaube ich, es war etwas zu essen und die wichtigsten Papiere.
Auf der Kuppe des Berges stand rechts und links eine Häuserreihe, diese war von der etwa 2-3 km entfernten Allee gut einzusehen, und so wurden wir dann von dort unten auch beschossen. Gott sei Dank gingen die Geschosse rechts und links in die Häuser. Wir wurden nicht getroffen. Heute glaube ich, dieses war Absicht.
Mein Opa war sehr schwerhörig und hatte von all den Kriegsgeräuschen nicht viel mitbekommen, darum war er sehr erschrocken, als die Geschosse an uns so dicht vorbei zischten. Er rief wiederholt, „Jetzt kummet se, jetzt kummet se!“ Hier hatte er am letzten Tag des Krieges diesen noch gehört. Wir haben da oben auf dem Berg eine gute Zielscheibe abgegeben.
In der Steinkuhle angekommen, legten wir uns an den tieferen Rand und warteten. Ich weiß heute nicht mehr, wie lange wir da lagen. Meine Angst war damals genauso groß wie in Hannover im Keller bei den Fliegerangriffen. Irgendwann am Nachmittag, als schon lange nicht mehr geschossen wurde, wagten sich die ersten an den Rand der Steinkuhle und irgendjemand rief, „D e r K r i e g i s t z u E n d e!“ Woher er dieses wusste, weiß ich nicht.
Meine Familie wartete noch eine Weile und dann gingen wir langsam nach Haus. Die Amerikaner waren in Sarstedt einmarschiert. Geschossen hatten sie nur, weil es noch einige Menschen gab, die glaubten, sie müssten sich noch immer verteidigen.

 

Kriegsende 1945

Von Ingeburg Nygaard erstellt am 05.01.2006

Wir schreiben April 1945.
Die deutsche Westfront hatte sich bereits über die Weser in Richtung Elbe zurückgezogen und die Gebiete zwischen Weser und Elbe erlebten die Kriegsereignisse hautnah.
Nach der Ausbombung 1943 in Hamburg wohnten wir in Hollenstedt, einem Dorf auf der linken Elbseite an der BAB Hamburg-Bremen. Am 19. April 1945 war es so weit! Morgens gegen 7:00 Uhr hörten wir die ersten Panzer heranrollen. Wir saßen in unserem selbstgebauten Erdbunker zusammen mit den nächsten Nachbarn, hörten das Geschützfeuer und hatten Angst - alle wie wir da waren. Nach einigen Stunden kehrte draußen Ruhe ein. Vorsichtig steckten wir die Köpfe heraus, observierten unsere direkte Umgebung, alles Wald- und Heidegrundstücke. Da bahnte sich auch schon jemand, von hinten kommend, den Weg zu uns. Es war ein Nachbar, der näher am Dorf wohnte, mehr gesehen hatte und uns berichten wollte.
Die Engländer, vermutlich Kanadier, hatten das Dorf besetzt, alles gründlich inspiziert und einige gute Häuser beschlagnahmt. Als örtliches Hauptquartier wurde der Hollenstedter Hof, ein ziemlich großer Gasthof mit Nebengebäuden, ausgewählt. (Sinnvoll, gleich neben der jahrhundertealten Kirche.) Unser Berichterstatter informierte uns ferner über die Zeiten der Ausgangssperre und die Öffnungszeiten der Molkerei und noch vorhandener Läden. Die Bestände sollten in den nächsten Tagen bezugsscheinfrei verkauft werden. Wir gingen nach und nach in unsere Häuser zurück und harrten der Dinge die kommen würden.
Die Mund-zu-Mund-Informationen waren lange Zeit die einzige Möglichkeit, Neues zu erfahren.

 

"D'Soldate brauche Wurscht!"

oder - Kapitulation am 6. Mai 1945?
von Bernd Schwiers

Es soll am 6. Mai 1945 gewesen sein. Ich lebte damals mit meiner Mutter bei der Bahnwärterfamilie Schwab in Buchen, d.h. eigentlich wohnten wir außerhalb des Ortes, dort wo die Landstraße nach Eberstadt die Bahnstrecke Buchen-Seckach kreuzt. Diese "Landstraße" war damals eine Schotterstraße. Das Bahnwärterhaus war aus rotem Sandstein gebaut, eingeschossig, mit zwei Kammern unter dem Giebeldach. In einer dieser Kammern wohnte ich mit meiner Mutter, in der anderen eine Frau aus Mannheim, die ebenfalls das Kriegsende auf dem Lande verbringen wollte.
Dass wir bei der Bahnwärterfamilie Schwab unterkamen, war ein glücklicher Zufall, denn wir wurden dort gut behandelt. Es ereignete sich wie folgt: Bei der Rückkehr vom letzten Aufenthalt in Prag bei meinem Vater fand meine Mutter zu Hause in unserem Briefkasten in der Kriegsstr. 290 in Karlsruhe eine Benachrichtigung des NS-Frauenbundes vor. Darin wurde sie aufgefordert, sich mit mir am nächsten Tag in Karlsruhe auf dem Bahnhof einzufinden, um "evakuiert" zu werden. So nannte man damals das Verbringen der Stadtbevölkerung aufs Land zum Schutz vor den Bombenangriffen.
Das Ziel des Evakuierungszuges ist mir nicht mehr bekannt. Jedenfalls war in Buchen im Odenwald erstmal Halt. Die Reisenden wurden in einem großen Saal untergebracht. Wir schliefen dort, mit vielen anderen auch, auf Heu oder Stroh. Der Treck hatte mehrere Tage Aufenthalt in Buchen. Ein- oder mehrmals ging meine Mutter mit mir in die dortige (katholische) Kirche, um für die gesunde Rückkehr meines Vaters aus dem Krieg zu beten. Dies sah wohl Frau Schwab, denn sie meldete sich beim Pfarrer und sagte, diese Frau mit dem Kind, die sie in der Kirche gesehen hätte, möchte sie gerne aufnehmen. So kamen wir zur Bahnwärterfamilie Schwab, während der Treck weiter fuhr.
Wir hatten es gut dort und lebten bei den Schwabs, als gehörten wir zur Familie. Ich spielte viel mit den beiden Kindern dort, ein Junge und ein Mädchen. Sie waren geringfügig älter als ich. Ich glaube, das Mädchen hieß Grete. Es waren die Enkel von Frau Schwab, die Kinder ihrer Tochter. Bahnwärterin war Frau Schwab. Herr Schwab war Streckenarbeiter.
Die Schwabs lebten einfach. Es gab weder Strom noch Wasser in dem Haus. Abends wurde beim Schein einer Petroleumlampe zusammen gesessen. Wasser wurde von einem Pumpbrunnen (Schwengelpumpe) geholt, der sich vor dem Haus, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, bei der Bahnwärterbude, befand.
In einem hölzernen Anbau rechts am Haus befand sich das Plumpsklo.
Oft zogen Gruppen von Soldaten an unserem Haus vorbei. Sie hielten dort meist, weil sie an der Pumpe Wasser holten. Die Soldaten wurden von Frau Schwab immer bewirtet. Es war ja das Schwein geschlachtet worden und es gab jetzt Blut- und Leberwurst und Schweineschmalz, alles in Weckgläsern. Mit dem Satz "D'Soldate brauche Wurscht!" schmierte Frau Schwab die Brote und die Soldaten saßen essend in der Küche des Bahnwärterhauses.
Eines Tages hingen meine Mutter und Frau Schwab ein großes weißes Tuch an der Fahnenstange am Bahnwärterhaus heraus. Auch wir Kinder bekamen aus den Stoffresten kleine weiße Fahnen gemacht. Wir freuten uns darüber, liefen auf der Straße herum um schwenkten die Fahnen.
Später erzählten mir meine Eltern, dass die deutschen Truppen dort in Buchen bereits am 6. Mai kapituliert hätten, nicht erst am 8. Mai 1945, der seit je der offizielle Kapitulationstag war.
erstellt am 30.06.2004