Unsere Erlebnisse

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Ausgeflippt und aus-gelebt von Jürgen Hühnke
Petersilie hilft auch nicht von Jürgen Hühnke
Nostalgische Rock-Legende von Jürgen Hühnke
Vom Fräuleinwunder zur Frauen-Power von Jürgen Hühnke
Ich bin ein Sonntagskind von Fritz Schukat

 

Ausgeflippt und aus-gelebt

von Jürgen Hühnke erstellt am 10.07.2008

Es war einmal, wie so die Märchen beginnen. Es war einmal der Ernst des Lebens. Doch auch Humoristen gab es, wie etwa Heinz Erhardt gab es. Nach ihnen kamen die Klamaukmacher, Blödler und Kalauer-Klopfer vom Schlage Otto Waalkes, Atze Schröder, Ingo Appelt oder Oliver Pocher, die man jetzt Comediens nennt, Leute, denen keine liebe Oma gesagt hatte: „Nun sei nicht immer so albern, Junge!“ Als der legendäre Ernst des Lebens jungen Leuten noch bevorstand, suchten sie dieses sinnerfüllend zu verbringen.
Schlagartig aber hieß es allenthalben: „Ich will Spaß!“ (was meist als Synonym für Sex steht). Man wollte sich selbst, seine Träume, seine Sexualität oder was sonst noch aus-leben und sich, nicht selten in einer Selbsterfahrungsgruppe „verwirklichen“, nicht mehr fremdbestimmt sein, ein autonomes Individuum sein.
Es war einmal (märchenhafterweise) ein junger Theologe, das Examen gerade in der Tasche, der am Ort seines Vikariats die jüngere Schwester zweier Grundschulfreundinnen wiedertraf. Das Mädchen war achtzehn Jahre alt, selbstverständlich sehr schön anzusehen, und machte soeben ihr Abitur. Kaum war sie von der Schulbank weg, wurde geheiratet.
Er bekam seine Pfarrstelle, und sie, entsprechend begabt, widmete sich erfolgreich den Pflichten einer evangelischen Pastorenfrau, indem sie sich um die Frauen- und Jugendarbeit kümmerte und sich namentlich der Kirchenmusik annahm. Dazu kamen nach und nach die Mutterpflichten für drei Jungen.
Früher hätte man ihr Leben für sinnerfüllt gehalten, autonom gestaltet war es noch dazu. Und doch bekam sie ganz plötzlich einen Rappel, grübelte über ihre angeblich verlorene Jugend nach und wollte sich endlich einmal „ausleben“ und „selbstverwirklichen“, als wäre alles Vorherige gar nicht wirklich gewesen. Obwohl sie sich spontan und autonom für die Ehe entschieden hatte, wollte sie vor allem doch noch auf die Universität. Auch nahm sie sich einen Architekten als Geliebten, ließ sich mir nichts, dir nichts scheiden und ließ sich vom Exgatten für ein Studium alimentieren. Ob sie sich im Zuge dieser Reformen auch einen Psychiater zulegte, entzieht sich meiner Kenntnis.
Mit den Pastorenfrauen ist es gewissermaßen wie mit den Royals. Wenn man dazu gehört, hat man nun einmal öffentliche Pflichten, die man laut- und klaglos verrichtet. Mit Lady Diana Spencer war das irgendwie anders, die ihre karitativen Aktivitäten mit einigem PR-Aufwand betrieb und sich durch die Yellow Press zur „Königin der Herzen“ empor stilisieren ließ, obwohl dieserart Tätigkeiten seit jeher zu den fast banalen Aufgaben königlicher Hoheiten gehören.
Der „Ex“, wie man heute lieblos sagt, hatte inzwischen, mit ihr an der Seite, Karriere gemacht und war Superintendent (Propst) in der Grafschaft Hoya geworden. Über einen geschiedenen „Supperndenten" war nun aber der Generalsuperintendent überhaupt nicht froh, auch wenn sein Untergebener keineswegs die Schuld an der Trennung trug. Folglich wurde dieser zum Pastor zurückgestuft, bezog aber sein bisheriges Gehalt aus beamtenrechtlichen Gründen weiterhin.
So lebt man sich denn auseinander, um sich aus-leben zu dürfen. Aber ist das Leben nicht ohnehin relativ schnell aus? Fragt sich doch, ob das Ausleben wirklich Spaß macht. Doch will ich nicht noch erst darüber philosophieren, wo der Unterschied zwischen Spaß und Freude liegt.
Meiner Ex-Schwägerin - denn um diese handelt es sich - ist da etwas widerfahren, was fast eher mit Freud (Sigmund) als mit Freude zu tun hat. Das heißt: „Widerfahren“ darf ich eigentlich nicht sagen, weil darin eine Vorbestimmung liegt, die sich mit autonomer Selbstverwirklichung wohl doch zu sehr beißt. Ihr weiteres Leben und Ausleben habe ich nicht weiter verfolgen können. Wahrscheinlich setzte sie das begonnene Bohème-Leben fort. Quasi eine zweite Franziska Reventlow, der sie übrigens durchaus ähnlich sah. Ein Kommunardendasein hat sie wohl nicht geführt, auch wenn die Zeitumstände das nahelegen könnten. Die „Es war einmal“-Liebesgeschichte ohne Happy End begann nämlich um die Zeit der Studentenrevolte.

 

Petersilie hilft auch nicht

Vorlesen lassen

 

von Jürgen Hühnke aufgeschrieben im Februar 2012

Neben Rosmarin und Thymian, ja sogar außer dem Suppenkraut galt Petersilie als Abortivum. Zumindest schreiben alte Kräuterbücher aus dem 16. Jahrhundert ihr eine abtreibende Wirkung zu. Doch ging es nicht um den Rohverzehr des krausen Krautes, sondern um das Schlürfen eines Gebräus oder Suds, und zwar, wie Freiherr Wolff Eberhard von Hohberg in seiner „Georgica Curiosa“ (1587) über den „Petersil“ lehrt, eines Suds aus der Wurzel der Pflanze, sollte der Erfolg nachhaltig sein.

Diesen feinen Unterschied kannte meine Tante Hannelore nicht, als sie zum 60. Geburtstag meiner Großmutter zu einem Selbstversuch einlud. Naja, Tante - das klingt so archaisierend. Hannelore war die wesentlich jüngere Schwester meiner Mutter und stand zum Zeitpunkt des Geschehens - Anfang der 60er Jahre, als Partyplatten zunehmend in Gebrauch kamen - noch in den besten und eben auch für besagten Test „fruchtbaren“ Jahren.

Diese Tante Hannelore nun futterte so auffällig intensiv die Garnierung aus Petersilie von den Häppchen herunter, dass sie nach dem Warum gefragt wurde. Mit dem ihr eigenen Schalk, der auch in der Modulation ihrer Stimme mitschwang, gab sie kund, man wisse doch, dass Petersilie empfängnisverhütend wirke. Noch nämlich hatte der Ovolutionshemmer, der damals Antibabypille hieß und erst in der Folge kurz als „Pille“ apostrophiert wurde, nicht in jeder Frauenhandtasche Platz gefunden. Insofern wirkte Hannelores Erklärung wie eine sexualkundliche Novität: Meine siebzehnjährige Cousine Antje - auch sie eigentlich eine Tante, da sie eine Cousine Hannelores oder Tochter meines Großonkels war - entwickelte urplötzlich einen wahren Heißhunger auf dieses Partygrünzeug. - Wenige Wochen später wurde das Aufgebot bestellt.

Merke:
Ist erst am Keimen die Familie,
dann hilft auch keine Petersilie!

 

Nostalgische Rock-Legende

von Jürgen Hühnke aufgeschrieben im November 2011

Als der mittdreißiger Jahrgang des vorigen Säkulums sich noch massiv in der Pubertät befand, definierte man ein Mädchen als ein langhaariges,rock- oder kleidtragendes holdseliges Geschöpf. Inzwischen ist, außer im Bereich des festlichen oder des folkloristischen Outfits, also bei Ball- und Abendkleidern oder bei Dirndln im Münchener Biergarten, nichts mehr von trapezförmig gewandeten Weibsen zu entdecken. Damals immerhin wurde eine Polizeibeamtin noch „Rockpolizist" geheißen - man nahm es da mit der political correctness noch nicht so genau. Längst aber lässt der herrschende genderübergreifende Look des Unisex die Frauen behost und die Männer mit langen Mähnen und gummibandumwickelten Pferdeschwänzchen auftreten.

Begonnen hat das Unglück mit dem durch Hollywood, Babelsberg und Cinecittà bestimmten Frauenbild, mit dem „Sexappeal" genannten Effekt, wobei wir letztlich fehlübersetzen; denn das englische Wort „sex" meint gar nicht die Geschlechtlichkeit, sondern ganz profan das biologische oder das grammatische Geschlecht: der Mann, die Frau, das Kind. Erst die „Sexbomben" vom Schlage einer Marilyn Monroe oder einer Brigitte Bardot haben unser Augenmerk von der Leibesmitte oder dem Rock weg auf die Oberweite verlagert.

Nun wandeln sich weibliche Appeal-Zonen ohnehin vielfach und gehen jetzt wieder auf die Mitte hin. Wenigstens für die Sommermonate hat sich bei den Lolitas der gut belüftete und gepiercte Bauchnabel als bestimmendes Modemerkmal herausgebildet. So ein Nacktbauch-Brilli hätte sich eigentlich ja zu einem Rock seligen Angedenkens - beziehungsweise dieser zu ihm - durchaus reizvoll ausnehmen können.
Aber Röcke sind out, schade drum. Ach, wenn ich zurückdenke an die fünfziger, sechziger Jahre, an die Shoppingtouren mit meiner Braut anlässlich der Winter- öder Sommerschlussverkäufe, die zu wahren Rock-Festivals gedeihen konnten! Und nun gibt es keine Röcke mehr.
Halt stopp, ich muß mich korrigieren: „Gibt's nicht" gibt's nicht! In Piktogrammen für die weibliche Spezies kommen sie weiterhin vor, nämlich auf Straßenverkehrszeichen oder in der Gastwirtschaft auf der Tür zur Damentoilette. Dort ist die Rock- oder Kleid-Silhouette als Symbol für feminine Wesen erhalten geblieben. Warum wohl? Sicher nicht nur aus Nostalgie. Es muss doch etwas dran sein am Rock-Appeal.

 

Vom Fräuleinwunder zur Frauen-Power

von Jürgen Hühnke erstellt am 20.04.2004

Früher traute man den Frauen wenig zu. Beim Durchblättern einer Bibliothek fand ich einen Aufsatz in den Preußischen Jahrbüchern - es muss ein Jahrgang irgendwo zwischen 1908 und 1912 gewesen sein -, dass man Mädchen die Belastungen eines Abiturs nicht zumuten könne.
Bis zur Studentenrevolte und zum Durchbruch des Feminismus waren die jungen Frauen in der Regel "Fräuleins" oder "Frolleins" in Dienstleistungsberufen Fräuleins vom Amt, Fräuleins an der Bar oder hinter der Ladentheke, Fräuleins in der Arztpraxis oder der Kanzlei, Fräuleins in Chefvorzimmern, oder sie waren Lehrerinnen, die den Titel "Fräulein" schon ganz einfach deshalb verdienten, weil sie unverheiratet waren und mit einer Eheschließung ihren Job verloren. Die Anrede enthielt, nur wenig verdeckt, die angestaubte Bedeutung, wie das stattdessen im 18. Jahrhundert noch gängige „Jungfer" sie trug.
Noch lange nachdem die political correcte und offizielle Titulierung „Frau" für alle eingeführt wurde, gab es nicht nur solche, die hinfort die Anrede „Fräulein" strikt ablehnten, sondern auch andere, die das „Frau"-Sein indigniert ablehnten und den früheren Ehrentitel beizubehalten forderten. Man weiß allgemein, dass sich die Berufstätigkeit von Frauen nicht länger allein auf Helferinnendienste aller Art beschränken konnte, nachdem die vielbeschworenen "Trümmerfrauen" und allein erziehende Mütter, vorneweg Flüchtlingsfrauen, auf den Plan getreten waren.
1945 war jedoch noch längst kein Epochenjahr für die Emanzipation. Damals sah man Frauen im Beruf noch nicht so gern, nicht gern als Ernährerinnen der Familie, schon gar nicht als Zweitverdienerinnen. Eine Lehrerin in Ellerau, Flüchtling aus Danzig, wurde 1949 aus dem Schuldienst entlassen, weil sie als Witwe eines Oberlehrers bereits eine Pension bezog. Ein kommunistischer Gemeindevertreter in Quickborn kritisierte 1947 die Aufnahme einer Mittelschullehrerin in den Dienst, da schon ihr Mann an der Schule unterrichtete. Der Abgeordnete forderte ferner die Entlassung aller weiblichen Angestellten in der Gemeindeverwaltung nach Prüfung der Frage, bei welchem der „Fräulein" die Väter für den Unterhalt sorgen könnten.

 

Ich bin ein Sonntagskind

von Fritz Schukat 15. Februar 2010

Meine Großmutter wäre heute, am 15. Februar 2010, genau 125 Jahre alt geworden, wenn sie noch leben würde - aber so lange leben nur ganz, ganz wenige. Oma Tilla ist kurz vor Vollendung ihres 80. Geburtstages gestorben, das war ja auch schon ein langes Leben.
So lange ich denken kann, feierte unsere Großmutter ihren Geburtstag aber am 16. Februar und erzählte jedem, der es hören sollte, sie wäre ein Sonntagskind. Ob das nun etwas Besonderes ist, will ich nicht beurteilen, denn ich will mir auch nicht weismachen lassen, dass die an den übrigen Wochentagen Geborenen weniger wichtige Leute sind - ich zum Beispiel bin an einem Mittwoch geboren - na und?
Schüler Fritzchen fand irgendwann in einem Taschenkalender ein Raster mit einem angeblich immerwährenden Kalender! Mich interessierten natürlich die Geburtstage der engsten Verwandten, vorab Omas! Und siehe da, der 16. Februar 1885 war ein Montag! Aber ich habe mir die Zunge verbrannt! Nach Omas vernichtendem Urteil war das ein Rechenfehler und wenn nicht, war das ganze Zahlenwerk falsch, denn „ ... ich bin an einem Sonntag geboren worden, basta!“ Das war es dann.
Als wir die Wohnung der Großeltern nach deren Tod auflösten, fanden wir in einem Geheimfach in „Großmutters Spind“, einem wunderschönen alten Kombi-Schrank mit eingebautem Sekretär, einen Haufen alter Urkunden. Die wurden im 3. Reich gebraucht, um den sog. Ariernachweis zu führen. Omas Geburtsurkunde war im Original dabei! Der Vordruck wurde mit Tinte in Handschrift ausgefüllt und trug das Ausstellungsdatum 16. Februar 1885 und als ausstellenden Standesbeamten die Unterschrift ihres eigenen Vaters! Der hatte ihre Geburt in seiner Eigenschaft als Bürgermeister und Standesbeamter beurkundet! Im Text der Urkunde war in schnörkelloser Kurrentschrift zu lesen, dass „ ... das Kind weiblichen Geschlechts mit dem Namen Mathilde am 15. Februar 1885 geboren“ wurde! Oma war also doch ein Sonntagskind! Aber sie hatte Zeit ihres Lebens ihren Geburtstag einen Tag später gefeiert!